Lukas Tschanz
Ist Lobpreis eine Pflicht von zeitgemässen Gottesdiensten? Nimmt er zu viel Raum in unseren Zusammenkünften ein? Wenn doch der Glaube aus der Predigt kommt (Römer 10,17), dann kann Lobpreis ja höchstens Rahmenprogramm sein – eine Verschönerung des Gottesdienstes, mehr nicht.
Anbetung ist Gemeinschaft mit Gott
Mit solchen und ähnlichen Thesen und Fragen wurde ich vor 25 Jahren in meiner Gemeinde öfter konfrontiert, als ich anfing, mir Gedanken zur Entwicklung einer gemeinsamen Anbetungskultur in meiner Gemeinde zu machen. Ich hatte das brennende Anliegen, den Gemeindegesang als eine Zeit der Gemeinschaft mit Gott zu verstehen und zu gestalten. Bis dahin erlebte ich es persönlich eher als reines Liedersingen – ein Teil des Rahmenprogramms eben.
Im Römer 10,17 benutzt vor allem die Luther-Übersetzung das Wort «Predigt». Andere Übersetzungen reden vom «Hören der Botschaft von Christus». Das weitet den Horizont! Es geht nicht darum, über die Gewichtung verschiedener Gottesdienstelemente zu streiten, sondern den Gottesdienst als ein Ganzes zu verstehen, in dem die Botschaft von Christus gehört werden soll – sei es durch die Predigt, die Lieder oder beispielsweise auch durch ein Zeugnis.
Kolosser 3,16 bestärkt diesen Gedanken, indem wir aufgefordert werden, Gottes Wort reichlich unter uns wohnen zu lassen. Dabei wird nicht nur die Lehre erwähnt, sondern ebenso das Singen von geistlichen Liedern und Lobgesängen.
Gott sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns Menschen. Er hat uns dazu erschaffen. So ist auch die Anbetungszeit im Gottesdienst nicht bloss ein Liedersingen als Auflockerung des Programms oder nur etwas für musisch Veranlagte. Anbetungszeit ist Gemeinschaftszeit mit Gott. Und diese Zeit soll von Nähe und Intimität mit unserem Schöpfer geprägt sein. Auch in Teilen, wo nur instrumental gespielt wird oder zwischen den Liedern. Gemeinschaft bedeutet ebenso zuzuhören, einfach «sein» zu dürfen und sich an Seiner Gegenwart zu erfreuen. Gottesdienste und insbesondere Lobpreiszeiten sollen Raum schaffen, Gott zu begegnen.
Gott sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns Menschen.
Der Grund unserer Anbetung
Anbetung oder neudeutsch «Worship» ist kein Musikstil, sondern ganz allgemein ein Ausdruck dafür, dass man einer Sache oder einer Person eine ganz besondere Bedeutung zumisst. Das kann genauso gut das Auto, das Bankkonto oder der Berufstitel sein. Was uns antreibt, was uns prägt und worauf wir unser Herz ausrichten, ist letztlich Gegenstand unserer Anbetung. So ist jeder Mensch ein Anbeter – die Frage ist nur, was oder wen wir anbeten.
In Römer 11,36 steht, dass «alles von IHM kommt, durch IHN lebt und sich in IHM vollendet». Gott allein gehört alle Ehre, all unser Lobpreis und unsere ganze Hingabe! Wir preisen Ihn und beten Ihn an, weil es die einzig angemessene Reaktion von uns Menschen darauf ist, wer Er ist, was Er getan hat und immer noch tut. Auf Seine überschwängliche Liebe und Gnade antwortet unser Herz mit Anbetung.
Wir preisen Ihn und beten Ihn an, weil es die einzig angemessene Reaktion von uns Menschen darauf ist, wer Er ist, was Er getan hat und immer noch tut.
In der Bibel lesen wir, dass Gott bereits vor der Erschaffung der Menschen angebetet wurde (Hiob 38,6–7) und auch, dass sich dies bis in Ewigkeit nicht ändern wird (Offenbarung 4,8). Die himmlischen Heerscharen, ja sogar die Sterne beten Gott an.
Wo sonst in deinem Leben hast du die Gelegenheit, etwas zeitgleich und gemeinsam mit dem himmlischen Heer zu tun? Betrachten wir die Himmelswelt nicht vielfach als etwas «Abgekoppeltes» von unserer Welt? Zwar ist uns bewusst, dass Gott in unsere Welt hineinwirkt und uns führt, bewahrt, beauftragt, stärkt und segnet. Aber dass wir etwas mit der Himmelswelt gemeinsam und zeitgleich tun können, übersteigt im Grunde genommen unsere Vorstellungskraft!
Weil Gott unablässig angebetet und gepriesen wird, darfst du dir gewiss sein, dass du mit dem himmlischen Heer mit einstimmst, wenn du Gott ein Loblied singst. Was für eine grosse und ermutigende Dimension öffnet sich!
Vom Wissen zur Erkenntnis
Wir leben in einer Zeit der Informationsflut. Wir hören viel, lesen viel, wissen viel. Auch über Jesus hören und wissen wir viel. Aber dies allein bringt noch keine Erneuerung in unser Leben. Was uns verändert und zum Handeln motiviert, ist das, was wir erkannt haben. Erkenntnis geht viel tiefer als reines Wissen.
Was uns verändert und zum Handeln motiviert, ist das, was wir erkannt haben.
Musik berührt unsere Seele und hilft mit, dass wir eine Botschaft, die unser Verstand schon lange kennt, tiefer verstehen. Ich durfte schon oft erleben, dass ich während einer Anbetungszeit etwas über Gott und Sein Reich klarer erkannt habe. Wenn wir in der Gegenwart Gottes verweilen und unsere Seele berührt wird, werden wir neu dankbar und staunen über Dinge, die wir auf Verstandesebene längst als selbstverständlich zur Kenntnis genommen haben. Und dies führt uns wiederum zu neuer Anbetung. Im Lobpreis liegt ein nicht zu unterschätzendes Potential, unser Inneres zu stärken, Ruhe zu finden und unser Herz auf das auszurichten, was ewig zählt.
Heiligen Boden betreten
Im Alten Testament durfte nur der Hohepriester einmal pro Jahr nach besonderer Vorbereitung in Gottes unmittelbare Gegenwart treten, ins Allerheiligste. Heute sind wir eingeladen, zuversichtlich und so wie wir sind vor Gottes Thron zu kommen (Hebräer 4,16) – immer und immer wieder. Dies ist einzig durch das Erlösungswerk von Jesus möglich geworden.
Ist uns bewusst, was für ein unglaubliches Vorrecht es ist, Gott durch Jesus persönlich begegnen zu dürfen? Kommt in unseren Lobpreiszeiten die Freude darüber zum Ausdruck? Oder ist es gewöhnlich und normal geworden?
Trotzdem hat sich Gott seit dem Alten Testament nicht verändert. Er ist durch die Verbindung, die Jesus geschaffen hat, nicht einfach zu unserem guten Kumpel oder zum «Lebens-Pannenservice» geworden. Er ist heilig, ein verzehrendes Feuer und ein eifersüchtiger Gott, der uns ganz für sich haben möchte.
Für mich ist es ein grosses Geheimnis, das sich schwer in Worte fassen lässt: Ich stehe als unvollkommener Mensch in Ehrfurcht vor dem Einen erhabenen, allmächtigen und heiligen Gott; ich komme, so wie ich bin und bin angenommen und geliebt. Es bringt nichts, mich vor Ihm zu verstellen und eine fromme Lobpreis-Fassade aufzuziehen. Er kennt mich sowieso durch und durch. Ich habe nichts zu bringen, ausser meinem Herzen, das ich Ihm entgegenstrecke. Er soll König sein über mein ganzes Leben!
Ich habe nichts zu bringen, ausser meinem Herzen, das ich Ihm entgegenstrecke.
Ich bin begeistert, dass uns Gott die Musik und unsere Stimme geschenkt hat, mit der wir unsere Liebe und Hingabe zu Ihm ausdrücken können!