Als Beter mit der Bibel unterwegs

Peter Höhn

Quelle: Zeitschrift «Faszination Bibel», Ausgabe 4/2023 (November 2023 bis Januar 2024), Seiten 34 bis 36, SCM Bundes-Verlag (faszination-bibel.net, ISSN 2190-9849). Ursprünglich erschienen in: «Neues Leben. Die Bibel zum Beten» von Ulrich Wendel und Daniela Bernhardt-Lohfink (Hrsg.), D-Holzgerlingen 2023. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der SCM-Verlagsgruppe.

Immer wieder suchen Christinnen und Christen nach Wegen, ihr Beten aufzufrischen und zu beleben. Eine wichtige Rolle dabei kann die Bibel spielen. Sie enthält Verheissungen fürs Gebet und auch viele Gebetstexte. Peter Höhn ist seit Langem auf der Spur dieser Erfahrung.

Gott unsere Vorhaben anvertrauen

«Vertraue dein Vorhaben dem Herrn an, dann werden deine Pläne gelingen.» (Sprichwörter 16,3)

Es war wohl meine allererste Gebetserhörung. Als junger Student war ich erst vor wenigen Wochen zum Glauben an Jesus gekommen und half bei einer Kleidersammlung für Flüchtlinge mit. Mit einer Kollegin machte ich eines Abends einen Transport und war dafür mit einem ausgeliehenen Lieferwagen unterwegs, als unerwartet das Benzin ausging. Schliesslich konnte ich bei einer Tankstelle einen halbvollen Kanister beschaffen, aber in der Dunkelheit und wegen der unmöglichen Lage des Einfüllstutzens gelang es vor lauter Aufregung nicht wirklich, das Benzin in den Tank zu kriegen. Das Auto wollte nicht anspringen. Meine Kollegin schlug vor, dass wir beten. Ich sagte: «Gut !» – Und dachte: «Was das wohl nützen soll?» Doch während wir beteten, fiel mein Blick auf ein Papier vorne auf der Abdeckung und der Gedanke kam: Daraus könnten wir doch eine Rinne falten, um so das Benzin in den Tank zu führen. So geschah es, wir kriegten zusammen das restliche Benzin in den Tank und konnten weiterfahren.

Keine spektakuläre Geschichte, aber sie illustriert genau diese Gebetsverheissung: Wenn wir unsere Vorhaben Gott im Gebet anvertrauen, wird Er uns die dazu notwendigen Gedanken eingeben oder zündende Ideen schenken, wie wir vorgehen können. Ich habe es inzwischen unzählige Male erlebt und auch von anderen gehört, wie dieses schlichte Gebet zu kreativen Lösungen geführt, ja sogar Leben gerettet hat.

Wenn wir unsere Vorhaben Gott im Gebet anvertrauen, wird Er uns die dazu notwendigen Gedanken eingeben oder zündende Ideen schenken, wie wir vorgehen können.

In Psalm 37,5 finden wir übrigens einen sehr ähnlichen Gebetstipp. Während es dort jedoch eher darum geht, sich mit seinem ganzen Lebensweg Gott zu überlassen, werden wir hier herausgefordert, für spezifische Alltagssituationen Gottes ganz konkrete Gedanken zu erbitten und zu erwarten. Tun wir es! Gott steht zu Seinem Wort!

Gebet als Priorität

«Wir selbst aber wollen uns ausschliesslich dem Gebet und dem Dienst am Wort widmen.» (Apostelgeschichte 6,4)

Diese Auffassung, dass die vorrangige Aufgabe von geistlichen Verantwortungsträgern darin besteht, sich dem Gebet und dem Wort Gottes zu widmen, begleitet mich seit vielen Jahren. Durch die «Lausanne II»-Konferenz für Weltevangelisation 1989 in Manila, an der ich als junger, vollzeitlicher Mitarbeiter einer christlichen Missionsbewegung teilnahm, wurde diese Auffassung zur persönlichen Quintessenz, die ich aus all den Impulsen mit nach Hause nahm. Der Satz aus Apostelgeschichte 6,4 wurde mir zu einem Leitwort in zweifacher Hinsicht.

Zum einen habe ich als jemand, der schreibt, lehrt und geistliche Inhalte aufbereitet, immer Menschen bewundert, die sich diakonisch und sozial engagieren. Mir liegt das überhaupt nicht, und so wurde mir das Wort der Apostel zur Entlastung: Ich darf mit den Begabungen arbeiten, die Gott mir gegeben hat (vgl. 1. Petrus 4,10–11). Ja, ich soll sogar sorgfältig darauf achten und wo nötig, Grenzen setzen, wo ich Gefahr laufe, von «berufungsfremden» Tätigkeiten aufgefressen zu werden.

Zum anderen mahnt mich dieses Wort der Apostel, mir für das Gebet und den «Dienst am Wort» wirklich Zeit zu nehmen und es als Teil meiner Be­rufung und Stellenbeschreibung zu verstehen – nicht nur als «Berufschrist», sondern als ganz gewöhnlicher Mensch, der zur Gemeinschaft mit Christus berufen ist (1. Korinther 1,9). Denn genau das bewahrt mich davor, nur noch fromm zu funktionieren und dabei mit Gott gar nicht mehr in Herzensberührung zu sein (vgl. Jeremia 10,21).

Für mich sind gerade diese zweckfreien Zeiten des Gesprächs mit Gott und des Mich-Vertiefens in Sein Wort oft zum Ausgangspunkt für neue Ideen, geistliche Erneuerung, notwendige Korrektur und Freude an Gott geworden, die nicht nur mir persönlich, sondern auch meinem Umfeld zugute gekommen sind.

Für mich sind gerade diese zweckfreien Zeiten des Gesprächs mit Gott und des Mich-Vertiefens in Sein Wort oft zum Ausgangspunkt für neue Ideen, geistliche Erneuerung, notwendige Korrektur und Freude an Gott geworden.

Begründet beten

«Sorgt euch um nichts, sondern betet um alles. Sagt Gott, was ihr braucht, und dankt Ihm. Ihr werdet Gottes Frieden erfahren, der grösser ist, als unser menschlicher Verstand es je begreifen kann. Sein Friede wird eure Herzen und Gedanken im Glauben an Jesus Christus bewahren.» (Philipper 4,6–7)

Wie oft habe ich es erlebt, dass nur schon dadurch, dass ich Gott meine Sorgen erzählt habe, mir plötzlich – manchmal auch allmählich oder nach dem Drüberschlafen – ein neuer, weiterführender Gedanke in den Sinn kam. Dazu passt, was David in Psalm 138,3 schreibt: «An dem Tag, da ich rief, antwortetest Du mir. Du vermehrtest mir in meiner Seele die Kraft.» In unserer Seele findet unser Denken, Fühlen und Wollen statt. Und wenn Gott in unserer Seele die Kraft vermehrt, bedeutet das: Er gibt uns über einer Sache, einer Sorge oder einem Anliegen neue Gedanken (Ideen, Einsichten, Erkenntnisse), neue Gefühle (Frieden, innere Ruhe) und ein neues Wollen (Mut, Erkanntes umzusetzen). Auf diese Weise habe ich oft erlebt, wie Gott meine Gebete erhört, indem mir klar wurde, was ich jetzt tun kann und will.

Wenn Gott in unserer Seele die Kraft vermehrt, bedeutet das: Er gibt uns über einer Sache, einer Sorge oder einem Anliegen neue Gedanken, neue Gefühle und ein neues Wollen.

Machen wir unsere Sorgen zu Gebeten! Wörtlich heisst es, dass «unsere Anliegen vor Gott kundwerden sollen» (Elberfelder Bibel). Das Wort «Anliegen» (griechisch aítēma) ist interessant. Als Verb (griechisch aitéō) bedeutet es «fordern, verlangen». Damit verwandt ist aitía («Sache, Ursache, Grund, Begründung»). Damit werden wir ermutigt, Gott mutig und mit «Begründen» unserer Gebete mitzuteilen, was Sache ist und was wir brauchen.

Ein Freund von mir erzählte, dass in der christlichen Privatklinik, in der er arbeitete, eine wichtige Fachkraft fehlte. Nach längerem erfolglosem Suchen und Beten fand er plötzlich den Mut zu sagen: «Herr, wenn Dir etwas an dieser Institution liegt, dann erwarte ich, dass Du uns in den nächsten drei Wochen diese Person schickst, die wir brauchen.» Und so geschah es. Darum: Sagen wir Gott, warum wir so oder so beten, zählen wir unsere Gründe auf – und danken wir Ihm auch. Er hört unsere «begründeten Anliegen» gerne und nimmt sich ihrer an.

Auf Gottes Liebe ausgerichtet

«Der Herr richte eure Herzen auf die Liebe zu Gott aus und auf das geduldige Warten auf Christus!» (2. Thessalonicher 3,5)

Dieser Segenswunsch von Paulus schliesst an die Zusicherung in Vers 3 an, dass der Herr uns stärken und vor dem Bösen bewahren wird. Er, der Herr, tut das und möge das jeden Tag an uns, die wir glauben, bewirken: unsere Herzen auf Gottes Liebe ausrichten und uns die Ausdauer und Geduld geben, die Christus uns vorgelebt hat. Das Wort «ausrichten» (griechisch kateuthýnō) hat auch die Bedeutung von «gerade richten» oder «geradlinig machen» und schliesst ein, dass uns der Herr von Umwegen, Verführungen oder krummen Touren schnellstmöglich auf den rechten Weg lenkt. Doch es geht noch um mehr als nur um die Bewahrung vor dem Bösen.

Vor einigen Jahren habe ich in einer Auszeit Gott gesucht und Ihn gefragt, was Ihm eigentlich für den Rest meines Lebens am wichtigsten sei. Als Antwort kam unter anderem dieser Vers und dazu der Gedanke: «Es kommt entscheidend darauf an, dass dein Herz auf Gottes Liebe ausgerichtet ist. Liebe ist die einzige Kraft, die Menschen von innen heraus verändern kann. Und was nicht aus Liebe geschieht, wird kein echtes Leben hervorbringen. Darum: Jage der Liebe nach (vgl. 1. Korinther 14,1)! Versuche tiefer zu verstehen, was es mit Gottes Liebe auf sich hat und wie sie durch dich wirken will.»

Versuche tiefer zu verstehen, was es mit Gottes Liebe auf sich hat und wie sie durch dich wirken will.

Daraus ist eine spannende Reise geworden, die bis heute und wohl bis an mein Lebensende andauern wird. Genau deswegen brauchen wir auch die Ausdauer von Christus. Es geht darum, sich nicht nur mit einer oberflächlichen Ahnung von Gottes Liebe zufrieden zu geben, sondern tagtäglich und in jeder Situation zu beten: «Herr, richte unsere Herzen, richte mein Herz auf Deine Liebe! Lass mich erkennen, was Deine Liebe hier und jetzt in dieser Begegnung wirken will – und gib mir den Mut, das Erkannte umzusetzen.» Ich kann garantieren: Wer so betet, wird nicht derselbe bleiben!

Ein Segensgebet zum Mitbeten

«Ich wünsche euch, dass der Gott des Friedens, der unseren Herrn Jesus, den grossen Hirten der Schafe, durch das Blut des ewigen Bundes von den Toten zurückgebracht hat, euch mit allem versorgt, was ihr braucht, um Seinen Willen zu tun. Ich wünsche mir, dass Er durch die Kraft von Jesus Christus all das in uns wachsen lässt, was Ihm Freude macht. Ihm gehört die Ehre für immer und ewig! Amen.» (Hebräer 13,20–21)

Meine Mutter war kein betont gläubiger Mensch, aber sie hat mit mir, als ich ein kleiner Junge war, vor dem Schlafengehen am Bett ein einfaches, frei formuliertes Gebet gesprochen. Darin kam unter anderem die Bitte vor, dass ich «ein Mensch werden möge, der Gott Freude macht.» Inwieweit dieses Gebet erhört worden ist, darüber wird Gott einmal befinden. Aber mir gefällt die Formulierung. Sie ist im besten Sinn «unfromm» und doch konkret. Wir finden sie auch hier in Vers 21, und sie ermutigt uns, so füreinander zu beten, dass wir Menschen sind und es immer mehr werden, die Gottes Herz erfreuen. Nicht, weil wir brav und fehlerlos wären, sondern weil wir im besten Sinn «lebendig» sind und uns in dem bewegen, wofür Gott uns geschaffen und berufen hat. Wichtig ist nun, dass das nicht durch eigenes Abmühen geschieht, sondern indem wir eben dafür beten, dass Gottes Kraft das in uns wachsen lässt, was Ihm Freude macht. Ebenso sagt ja auch Vers 9, dass nur die Gnade Gottes bewirken kann, dass wir innerlich stark werden.

Diese Gnade Gottes in all ihren Facetten fasst Vers 20 in kürzester Form zusammen, und wir können alle diese Eigenschaften Gottes, die Seine Gnade widerspiegeln, dankend und betend für uns und andere in Anspruch nehmen: Seinen Frieden. Sein Hirtesein. Die Tatsache, dass Er durch Jesus einen ewigen Bund mit uns geschlossen und uns durch Sein Blut versöhnt hat. Dass Er den Tod überwunden hat und auch alles «Tote» unseres Lebens wiederbelebt. Und dass Er uns mit allem versorgt, was wir brauchen, um Seinen Willen zu erkennen und zu tun.

Mir hilft dieses Gebet immer wieder, mich von Idealbildern zu lösen, wie ich als Christ sein und was ich alles noch tun sollte. Stattdessen kann ich mich ganz Gott überlassen in dem Vertrauen, dass genau das gut ist und genügt (vgl. 2. Korinther 12,9), was Seine Gnade in mir schafft.

Impulse zur persönlichen Umsetzung

Lerne zu beten. Unverzichtbar dafür ist das Studium und das Meditieren von biblischen Aussagen.
Lass dich herausfordern. Gott gibt uns nicht nur klare Aufträge, sondern auch viele Verheissungen. Lass dein Vertrauen durch beides wachsen.
Von Gottes Liebe erfüllt: Gottes Agape will dich verändern und durch dich andere Menschen.
Peter Höhn (*1954), ursprünglich Wasserbau-Ingenieur, ist beim Missionswerk Campus für Christus Schweiz tätig als Redakteur, Buchautor, Referent und geistlicher Begleiter