Irene Fastner SEMPER FEMINA

Wechselhaft und wandelbar

„Semper Femina“ prangt schon seit Jahren als Tätowierung auf dem linken Oberschenkel von Laura Marling. 2017 erschien das gleichnamige Album der britischen Folk-Pop-Sängerin, die sich damit natürlich ganz gelehrt auf den römischen Dichter Vergil bezieht. Im 4. Buch der Aeneis schreibt der: „Varium et mutabile semper femina“, also in etwa: „Immer ist die Frau ein wechselhaftes und wandelbares Wesen“. In ihren Songtexten verweist Marling unter anderem auch auf die Psychoanalytikerin und Freud-Vertraute Lou Andreas-Salomé, die zur weiblichen Sexualität forschte, oder auf Gustave Courbets Skandalgemälde „L’Origine du monde“.

Wechselhafte und wandelbare Wesen sind auch die Frauen in den Bildern von Irene Fastner. Eine von ihnen hat sich die Haare grün gefärbt, weil das so gut zu ihren türkisgrünen Augen passt. Auf den rechten Oberarm hat sie sich ein kleines Transistorradio mit Antenne tätowieren lassen. Eine andere hat ihr Kopftuch wie ein Pirat gebunden und trägt dazu eine Totenkopfhalskette mit den passenden Ohrringen. Es gibt eine Texanerin mit Cowboyhut und zwei Flamencotänzerinnen in raschelnden Abendkleidern. Die Sängerin einer mexikanischen Band wartet im tief dekolletierten roten Kleid und in Highheels auf ihren Auftritt. Eine Madonna im Blumenkranz wiegt ein Baby mit Punkfrisur im Arm. Und dann sind da auch noch die Gärtnerin, die Hausmeisterin, die verliebte Vampirin und die sich am eigenen Schopf packende. Sie alle schlagen sich tapfer und unverdrossen durchs Leben. Es geht vielleicht nicht ganz so dramatisch zu wie bei der unglücklich in Aeneas verliebten Dido, aber auch das Verreisen mit einem Hund im Koffer, ein verregneter Tag in Texas und selbst ein Hausfasching, für den man sich eine Schweinchennase umgebunden hat, können durchaus eine Herausforderung sein. Eines aber gilt für alle Protagonistinnen in Irene Fastners Bilder gleichermaßen: Sie sind einfach „semper Femina“, immer Frau.

Es wäre sicher falsch anzunehmen, dass in allen diesen Frauen etwas von der Malerin selbst steckt. Und doch ist jedes ihrer Bilder eine Art Positionsbestimmung. Wenn Irene Fastner sich ins Atelier begibt und zu malen beginnt, weiß sie noch nicht, was sie an diesem Tag erwartet. Es sind oft lange zurückliegende Alltagsbeobachtungen, Erinnerungsschnipsel, manchmal auch Reiseeindrücke, die sie mit dem Betrachten von Fotos wiederbelebt und die ihr dann eine Richtung vorgeben. Auf die Frage, warum es fast immer Frauen sind, die aus ihrem Unterbewusstsein ins Bild treten, antwortet die Malerin, dass sie optisch einfach interessanter sind als Männer. Sie sehen immer wieder anders aus, sie verändern sich durch ihre aufwendigen Frisuren, durch Kleidung, Schmuck und durch all die Dinge, die sie so mit durchs Leben schleppen. Sie tragen Handtaschen, Musikinstrumente, Blumentöpfe oder Gießkannen. Sie führen den Hund an der Leine, haben eine Katze auf dem Arm oder an jeder Hand ein Kind. Oder sie füttern ein Eichhörnchen mit Nüssen.

„Manche Bilder male ich nur für mich“, sagt Irene Fastner. Das sind dann kleine Erzählungen, die niemals in einer Galerie zu sehen sein werden, sondern als Votivbildchen für die Fallstricke des Alltags bei ihr im Atelier bleiben: „Heute geht alles daneben“ steht etwa auf einem merkwürdig-heiteren kleinen Hinterglasbild, das am Ende auch noch einen Sprung bekommen hat, als es in seinen Rahmen genagelt wurde. Darüber hinaus aber bestimmt fast immer die Musik, die Irene Fastner während der Arbeit im Atelier hört, das Bildgeschehen. Und so ist es kein Wunder, dass sie am Ende sehr oft einen Songtitel wie einen Kommentar zu den merkwürdigen Begebenheiten dazu schreibt, die sie gerade gemalt hat.

Es wäre übrigens ebenfalls falsch anzunehmen, dass die freundlich mondgesichtigen Frauen mit den Strichfrisuren und großen Klimperaugen in den Bildern von Irene Fastner irgendwie unbeholfen oder gar „naiv“ sind. Zwar erinnern sie durchaus an Kinderzeichnungen, an Comics und vielleicht auch an Karikaturen, sie sind jedoch in gründlicher Kenntnis der Kunstgeschichte und insbesondere der Malerei des 20. Jahrhunderts entstanden. Vor allem aber sind sie eine ebenso feinsinnige wie humorvolle Auseinandersetzung mit weiblichen Rollenklischees und den gesellschaftlichen Veränderungen unserer Zeit.

In technischer Hinsicht lässt sich das Werk der Malerin in die Sommerbilder und die Winterbilder unterteilen: In Öl auf Leinwand malt sie nur während der warmen Monate, wenn im Atelier alle Fenster offen stehen und die Farbdämpfe entweichen können. Da sie die Ölfarbe nicht pastos aufträgt, sondern sehr dünne Flächen streicht, muss sie mit viel Lösungsmittel arbeiten. Im Winter verarbeitet sie die Rahmen, die sie das Jahr über auf Flohmärkten oder in Trödelläden gesammelt hat. Die Glasscheiben in diesen Rahmen sind dann der Bildträger, den sie in Hinterglastechnik bemalt. Form und Stil des Rahmens sind nicht selten Anlass für ein bestimmtes Motiv. Während ihrer Malreisen arbeitet Irene Fastner in Acryl auf Papier. Und zu jeder Jahreszeit malt sie in ihrer ganz eigenen Mischtechnik mit Acrylfarbe, Kohle, Ölkreide und verschiedenen Stiften auf Holztafeln.

Im Song „Semper Femina“ singt Laura Marling: „But you'll be anything you choose / Fickle and changeable are you / And long may that continue!“ Sinngemäß ist das eine Aufforderung an Frauen, immer wieder so zu sein, wie sie wollen: „Wechselhaft und wandelbar bist du – und möge das noch lange so bleiben!“

Katja Sebald

Dank

Im Rahmen dieser Onlinepräsentation möchte ich mich bei Katja Sebald für ihren sensiblen Text bedanken. Ein großer Dank geht an Wilfried Petzi für die zur Verfügung gestellten Fotos und an Paulo Mulatinho für seine visuelle Umsetzung.

Die Ausstellung ist vom 9. November bis 21. Dezember 2024 zu den Öffnungszeiten der Galerie zu besuchen.

galerie 13 - fritz dettenhofer