Anne-Geneviève Bütikofer Direktorin H+ Die Spitäler der Schweiz

ANQ-Mitglieder im Porträt

Anne-Geneviève Bütikofer: H+ vertritt die Interessen der Schweizer Spitäler und Kliniken. Welche Themen standen 2023 in der Verbandsarbeit besonders im Fokus?

Die Themen von H+ sind so vielfältig wie die Spitalbranche selbst. Im Bereich Qualität und Patientensicherheit haben wir beispielsweise den Qualitätsvertrag zwischen Spitälern und Versicherern zusammen mit den Vertragspartnern verbessert und Ende 2023 erneut beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht. Weiter wurde die H+ Branchenlösung «Interprofessionelle Reviews in der Psychiatrie» aus der Pilotphase in die operative Phase überführt und in einigen Betrieben umgesetzt.

Aber auch die Finanzierung der Spital- und Klinikbranche ist ein wichtiges Anliegen von H+. Denn das Schweizer Gesundheitswesen hat eine sehr hohe Qualität. Doch um dieses Qualitätsniveau auch in Zukunft zu gewährleisten, braucht es die entsprechenden Mittel, beispielsweise für die zahlreichen Qualitätsmassnahmen und -programme in den Spitälern und Kliniken. H+ setzt sich auf verschiedenen Ebenen dafür ein, dass diese Aufgaben der Spitäler künftig adäquat abgegolten werden.

Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen in der Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken?

Zuerst ist positiv festzuhalten: Die Schweiz verfügt über ein Spitalwesen, das von der Bevölkerung insgesamt als «eher gut» bis «sehr gut» einstuft wird. Dies zeigt auch der Spital- und Klinik-Barometer von H+. Massnahmen zur Qualitätsentwicklung werden nicht erst seit Inkrafttreten des KVG-Artikels zur Qualität und Wirtschaftlichkeit im Jahr 2021 umgesetzt. Vielmehr war und ist die Qualitätssicherung schon immer Teil des Kerngeschäfts der Spitäler und Kliniken.

Der Regulationsdruck auf die Branche im Bereich Qualität ist deutlich gestiegen. Kompromisse zu finden und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, ist und bleibt aus diesem Grund eine grosse Herausforderung. Doch das Beispiel des Qualitätsvertrags zeigt, dass tragfähige Lösungen möglich sind. Die Umsetzung des Qualitätsvertrags nach Art. 58a KVG ist nun die nächste Etappe. Dabei sind nicht nur die Spitäler und Kliniken gefordert, sondern auch der ANQ, die Kantone sowie die Fachgesellschaften und die Berufsorganisationen.

Und nicht zuletzt bleibt die Finanzierung der Umsetzung des Qualitätsvertrags, beispielsweise die Finanzierung der Qualitätsmassnahmen in den Spitälern, ein Sorgenkind. H+ ist der festen Überzeugung, dass dies langfristig ohne zusätzliche Finanzmittel einfach nicht realistisch ist. Über die Tarife können diese zusätzlichen Aufgaben für sämtliche Spitäler nicht adäquat finanziert werden.

«Qualitätssicherung war schon immer Teil des Kerngeschäfts der Spitäler und Kliniken.»

H+ ist Gründungsmitglied des ANQ. Sie selber sind im ANQ-Vorstand aktiv. Was motiviert Sie, sich persönlich im ANQ zu engagieren?

Das Thema Qualität im Gesundheitswesen ist hochaktuell und im Wandel begriffen. Die Lernkultur im Qualitätsbereich muss noch stärker in den Fokus rücken. Die sogenannte Sanktionskultur müssen wir hingegen definitiv hinter uns lassen. Meine Motivation, mich für den ANQ einzusetzen, ist direkt verbunden mit diesem Grundsatz und dem, was den ANQ als Akteur auszeichnet. Nämlich seine Fähigkeit, auf nationaler Ebene Qualitätsmessungen im akutsomatischen, rehabilitativen und psychiatrischen Bereich zu etablieren und für jede einzelne Messung eine nachvollziehbare Publikation sicherzustellen. Damit schafft der ANQ einen gesunden Druck auf sämtliche Leistungserbringer und liefert einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsentwicklung, was letztendlich jeder einzelnen Patientin und jedem einzelnen Patienten zugutekommt.

Wo sehen Sie die Stärken der ANQ-Messungen? Und wie sollten sie sich weiterentwickeln?

Die Stärke der ANQ-Messungen ist, dass sie von allen Akteuren – also von den Kantonen, den Versicherern und den Spitälern – akzeptiert und getragen werden. Im Gesundheitswesen ist es eine grosse Leistung, eine solche Einigkeit zu erzielen.

Potenzial zur Weiterentwicklung gibt es aber immer. Aus Sicht von H+ sollten die ANQ-Messungen in Zukunft weniger auf die Ergebnisqualität, sondern mehr auf die Prozessqualität fokussieren. Qualitätsindikatoren sind für Spitäler und Kliniken dann hilfreich, wenn sie eine Auseinandersetzung auf Managementebene anstossen und wenn die Ergebnis- und Prozessanalysen es erlauben, konkreten Fragen zur Qualitätssicherung nachzugehen, allfälliges Verbesserungs- und Fehlervermeidungspotenzial zu identifizieren und entsprechende Massnahmen einzuleiten. So könnte jedes Spital Prozessindikatoren direkt nutzen, um auf die eigenen Behandlungsprozesse einzuwirken.

Weiter wünscht sich H+, dass der ANQ eine aktive Rolle bei der Implementierung von PROMs (Patient-Reported Outcome Measures) einnimmt. Grosse Sorge bereitet uns allerdings auch hier die langfristige Finanzierung der Kosten, die in den Spitälern für die Umsetzung von PROMs anfallen werden.

2024 feiert der ANQ sein 15-jähriges Bestehen. Was braucht es, damit der ANQ seine Aufgaben auch in Zukunft im Interesse aller Mitgliederorganisationen erfüllen kann? Und was wünschen Sie sich für den ANQ?

Ich wünsche dem ANQ, dass er seine Strategie umsetzen kann und dass die Übernahme von Aufgaben sowie die Finanzierungsbeteiligung zur Umsetzung des Qualitätsvertrags nach Art. 58a KVG langfristig gesichert werden. Dabei spielt auch der Gesetzgeber eine entscheidende Rolle, indem er sicherstellt, dass die Qualität und die Patientensicherheit auch entsprechend finanziert werden.

«Die Stärke der ANQ-Messungen ist, dass sie von allen Akteuren akzeptiert und getragen werden.»

Anne-Geneviève Bütikofer, lic. iur., ist seit 2018 Direktorin von H+ Die Spitäler der Schweiz. Zuvor war sie unter anderem Generalsekretärin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH und Generaldirektorin Gesundheit im Volkswirtschafts- und Gesundheitsdepartement des Kantons Genf. Sie ist seit 2021 Mitglied des ANQ-Vorstands.

Fotos: © Sandra Stampfli / ANQ