In Abhängigkeit von Christus leben

Dieter Bösser

Das Bild vom Weinstock und den Reben (Johannes 15,1–8) ist eigentlich nicht schwer zu verstehen. Diese Abhängigkeit von Jesus zu leben, kann aber sehr herausfordernd, manchmal sogar schmerzhaft sein. Und doch gibt es für Christen keine wirkliche Alternative zu einem solchen Leben in Abhängigkeit von dem Sohn des lebendigen Gottes. Anstatt hier kluge Sätze über diese geistliche Realität vorzulegen, schauen wir in das Leben von zwei Menschen, die die Abhängigkeit von Gott in den Jahrzehnten ihres Lebens durchlebt und auch durchlitten haben.

Wenn man zurückblickt

Hans und Frieda Jutzi sind ungefähr 80 Jahre alt und leben in Thun. Hinter ihnen liegt ein bewegtes Leben, über das schon in mehreren christlichen Zeitschriften geschrieben wurde. Was sie erlebt haben und wie sie damit umgegangen sind – ihre Geschichte ist es allemal wert, sie noch ein weiteres Mal zu erzählen. Sie ist ein nicht alltägliches Beispiel dafür, dass man im Leben nicht nur grosse Herausforderungen, Schicksalsschläge und vermeintliches Scheitern erleben kann. Mehr als berührend ist, wie Gott ein solches Leben auf nicht erklärbare Weise segnet und so zu einem grossen Segen für andere werden lässt – wenn man sich von Ihm halten lässt und Ihn im Gegenzug festhält. Eine solche Bio­grafie kann man nicht planen ! Es ist ein Geschenk, wenn man im Rückblick in all dem Auf und Ab des Lebens die Handschrift Gottes erkennen kann.

Wie der gemeinsame Weg begann

Hans kam 1947 in Tansania zur Welt und erlernte den Beruf des Landwirts. Zwei Wochen bevor er 1969 von der Schweiz nach Bhutan ausreiste, lernte er seine spätere Ehefrau Frieda kennen. Sie war gelernte Krankenschwester, die beiden heirateten 1972. Bhutan war ein sehr armes Land. Hans hatte einen Vierjahres-Vertrag, um vor Ort eine Milchwirtschaft aufzubauen, obwohl es dort keine Kühe gab. Diese mussten mühsam aus Südindien importiert werden. Zusätzlich veranlasste Hans, dass 500 kg Saatkartoffeln aus der Schweiz nach Bhutan gebracht wurden, um sie dort anzupflanzen. Die herausfordernde Aufbauarbeit entwickelte sich gut. Aber wegen Komplikationen bei der Geburt des ersten Kindes sahen sie sich genötigt, wieder in die Schweiz zurückzukehren. Dabei wäre in Bhutan noch so viel zu tun gewesen !

Die Knolle gegen den Hunger

Leitungsaufgaben in der Schweiz

Hans fand eine Anstellung als Verwalter eines Bauernhofes, der einer Stiftung im Kanton Zürich gehörte. In dem Kinderheim, das zu dem Hof gehörte, lebten wohlstandsverwahrloste Kinder, die neben dem Schulunterricht auf dem Hof mitarbeiteten. Was für ein Kontrast zu der Arbeit in Bhutan ! Und trotzdem eine erfüllende Aufgabe, bei der Jutzis mit vernachlässigten Kindern in einer natürlichen und gesunden Umgebung unterwegs sein konnten.

Nach rund sieben Jahren entwickelte sich bei Hans eine ansteckende Krankheit, die den Leiter der Stiftung veranlasste, ihm zu kündigen. Was für eine Ernüchterung ! Hans fand nach einiger Zeit eine Anstellung als Leiter eines Alters- und Pflegeheims im Kanton Bern und später als Gesamtleiter einer Schweizerischen Stiftung für Gehörlose. Nach reiflicher Prüfung entschieden sie sich schliesslich entgegen aller Vernunft, alles aufzugeben und in die Mission zu gehen.

Und dann der Schock!

Jutzis zog es zu dem Ärmsten der Armen. Sie hatten erfahren, dass es in der Mongolei verglichen mit der übrigen Weltbevölkerung überdurchschnittlich viele Gehörlose gibt. Ohne soziale Absicherung lebten viele als Obdachlose. 2002 wanderten Frieda und Hans in die Mongolei aus und bauten in einem ersten Schritt ein Durchgangsheim für Obdachlose auf, viele davon gehörlos.

Mitten in diese wichtige Aufbauarbeit kam die erschütternde Nachricht : Der älteste Sohn Martin, der als Missionar in Somalia tätig war, war am 30. Dezember 2002 erschossen worden. Der Schock war zu gross, um die Arbeit dauerhaft weiterführen zu können. Frieda und Hans kehrten in die Schweiz zurück und mussten sich einem schmerzhaften Trauerprozess stellen. Die Vielschichtigkeit dieses Prozesses kann hier nicht nachgezeichnet werden. Nur so viel : Diese Erfahrung stellte nicht nur ihre Beziehung zum Vater im Himmel auf eine schwere Probe. Auch ihre Ehe- und Familienbeziehung wurde einer grossen Belastung ausgesetzt. In allem Schmerz und in den Fragen erlebten sie aber die Fürsorge Gottes. Gott ist treu, auch wenn Er uns viel zumutet. Und was Gott uns zumutet, das traut Er uns auch zu !

Nicht aufgeben

Nach einiger Zeit nahmen sie ihr Enga­gement in der Mongolei wieder auf. Mit Unterstützung von anderen wurden eine Gebärdensprache entwickelt und zwei Lehrerinnen in der Schweiz für die Arbeit unter Gehörlosen ausgebildet. Es wurde sogar eine Berufsschule für Gehörlose gegründet. 2009 konnte die Arbeit an die mongolische Regierung übergeben werden.

Bereits über tausend Nomaden haben ein solches Zuhause.

Diese wertvollen Erfahrungen führten dazu, dass Hans danach als freier Mitarbeiter einer schweizerischen Hilfs­organisation die Arbeit unter Gehörlosen auf Kuba unterstützen konnte. Dadurch entstanden auch Kontakte zu Christen und Gemeinden, die dort immer noch unter sehr schwierigen Bedingungen leben.

Noch einmal etwas Neues

2014 erhielt Hans eine Anfrage, um in polnischen Gefängnissen vor Schwerverbrechern zu predigen und ihnen das Evangelium weiterzugeben. Wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe wirklich lebenslang bedeutet, dann ist es ein grosses Vorrecht, wenn Verurteilte eine Perspektive für ein Leben nach dem Tod erhalten können. Etliche haben sich von Jesus Vergebung und ein neues Leben schenken lassen. Was für ein Privileg, das miterleben zu können !

Etliche haben sich von Jesus Vergebung und ein neues Leben schenken lassen.

Dieser kurze Überblick enthält nicht alles, was Frieda und Hans miteinander und mit Gott erlebt haben. Das lässt man sich am besten von ihnen persönlich erzählen.

Hans (1947) und Frieda (1944) Jutzi haben drei Kinder und sieben Enkel, wohnen in Thun und gehören zur Kirche B-Nord (FMG Thun-Steffisburg).

Das Leben im Rückblick

Wenn man das Auf und Ab des eigenen Lebens Revue passieren lässt, dann bleiben zwangsläufig Fragen offen. Manche Erinnerung tut immer noch weh, auch wenn die Wunden verheilt sind und nur noch Narben zurückgeblieben sind.

Wer mit Frieda und Hans spricht, spürt trotz allem Schweren nichts von Verbitterung. Gott hat ihnen viel zugemutet. Sie konnten aber für viele Menschen zu einem grossen Segen werden. Die Beziehung zu ihrem Erlöser Jesus Chris­tus hat über die Jahrzehnte gehalten, auch die Beziehung zueinander. Ihnen ist bei allem Segensreichen, das sie erleben konnten, wichtig, dass das nicht ihr Verdienst ist. Sie verweisen gerne auf ihren Herrn, dem die Ehre gebührt für alles Gute, das aus ihrem langen Leben an Frucht wachsen konnte.

Wer mit Frieda und Hans spricht, spürt trotz allem Schweren nichts von Verbitterung. Gott hat ihnen viel zugemutet. Sie konnten aber für viele Menschen zu einem grossen Segen werden.

Die Biografie von Frieda und Hans ist in der Tat aussergewöhnlich. So etwas kann man nicht im Voraus planen. Sie haben einfach immer wieder das getan, was Gott ihnen vor die Füsse gelegt hat. Sie haben sich von Gott und von der Not der Menschen rufen lassen und immer wieder ihre Komfortzone verlassen. Auf wundersame Weise lässt sich im Rückblick erkennen, wie ihre Aus- und Weiterbildungen irgendwann für viele Menschen in der Schweiz und im Ausland zu einem Nutzen und zum Segen werden konnten.

Was für ein eindrückliches Beispiel dafür, was es bedeutet, in der Abhängigkeit von Jesus Christus zu leben und sich von Ihm gebrauchen zu lassen. Ihm allein gebührt die Ehre !

Raus aus der Komfortzone. Leben in der Abhängigkeit von Jesus ist herausfordernd !
Näher hin zu Jesus. Die Beziehung zu Ihm intensivieren !
Sich Schwierigem stellen. Jesus mutet uns Schmerz, Trauer und Unverständliches zu !
Dieter Bösser, Schriftleiter