Ein Tag im Zeichen des Wissenstransfers
«Qualitätsentwicklung ist ein intensives Gemeinschaftswerk!», mit diesen Worten begrüsste ANQ-Präsident Josef Müller am 1. Februar über 200 Fachpersonen zum Q-Day 2024 in Bern. Und er betonte: «Nur wenn alle Rädchen reibungslos ineinandergreifen, kommt die Qualität dort an, wo sie spürbar und wirksam sein muss: bei den Patientinnen und Patienten.» Die Parallelsessions und Plenumsvorträge machten deutlich, wie vielfältig dieses «Qualitäts-Gemeinschaftswerk» ist. Anhand von Praxisbeispielen und Fachbeiträgen stellten die Referierenden ausgewählte Qualitätsaktivitäten vor und gaben den Teilnehmenden damit wertvolle Impulse.
In ihrem Schlusswort fasste ANQ-Geschäftsleiterin Dr. Petra Busch zusammen: «Qualität ist ein Auftrag, den Leistungserbringer, Kantone und Versicherer nur gemeinsam erfüllen können.» Damit dies effizient funktioniere, dürfe es weder Doppelspurigkeiten noch Lücken geben. «Für eine gute und bezahlbare Qualität müssen alle Hand in Hand zusammenarbeiten.»
Begleitet wurde der Tag von Live-Cartoonist Jonas Raeber, der das Präsentierte humorvoll-erfrischend zusammenfasste und frech in neue Zusammenhänge stellte (zum Video). Die Präsentationen mit Publikationserlaubnis stehen auf dem ANQ-Webportal zum Download bereit.
Aus den Parallelsessions
«Do patients always get what they want?» Diese Frage stand im Zentrum des Qualitätsprojekts, das Maria Mancuso Biamonte von der Gruppo Ospedaliero Moncucco in ihrem Referat vorstellte. Dieses hatte zum Ziel, die Wahrnehmungen der Patientinnen und Patienten besser zu verstehen und konkrete Massnahmen daraus abzuleiten. Insgesamt 800 Patientinnen und Patienten schilderten ihre Erwartungen an den Spitalaufenthalt sowie an Pflegepersonal, Ärzteschaft und Hotellerie. Neben einer wirksamen Behandlung, der Qualität der Services und hoher Fachkompetenz zählten sie weitere relevante Faktoren auf: Sowohl vom Pflegepersonal als auch von der Ärzteschaft erhoffen sich die Patientinnen und Patienten Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft und kommunikative Fähigkeiten. Um diese Erwartungen zu erfüllen, brauche es gar nicht so viel, erklärte Maria Mancuso Biamonte. Schon ein nettes Wort oder eine aufmerksame Geste machen einen grossen Unterschied.
Eine Qualitätsinitiative in der Gelenkprothetik stellte PD Dr. med. Tilman Calliess von der Spezialpraxis für Gelenkchirurgie articon vor. Diese Initiative belegt, wie viel eine ANQ-Ergebnispublikation auslösen kann. Im geschilderten Fall zeigte ein Belegarztspital auffällige 2-Jahres-Revisionsraten für Hüft- und Kniegelenke, die zwischen 2014 und 2016 implementiert worden waren. Als der ANQ die Raten im Jahr 2020 veröffentlichte, entschieden Direktion und Ärzteschaft, die betreffenden Eingriffe vertieft zu analysieren, um mögliches Verbesserungspotenzial erkennen und gezielte Massnahmen ergreifen zu können. Zudem beschlossen sie, auch die neuen Revisionen regelmässig zu besprechen. Bis heute sind der Qualitätszirkel sowie gemeinsame Weiterbildungen fester Bestandteil der Qualitätssicherung. Die gezielten und auf allen Ebenen umgesetzten Anpassungen zeigten Wirkung, so das Fazit von Tilman Calliess: Je nach Spitalstandort und Eingriff sind die Revisionsraten bereits rückläufig.
Alain Junger vom Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) plädierte in seinem Referat für die Mehrfachverwendung von Daten aus der Pflege und erläuterte, wie das CHUV den Aufwand für die Erhebung und Erfassung von Patientendaten mittels Automatisierung reduzierte. Das CHUV nutzt die Daten der Pflegedokumentation als Basis und verwendet diese für weitere ausgewählte Assessments. Die automatisierte Mehrfachverwendung verhindert, dass die inhaltlich sehr ähnlichen Daten je nach Kontext (d. h. für spezifische Stakeholder) parallel erhoben und erfasst werden müssen. Dieser Ansatz könnte auch für das Reha-Messinstrument FIM® interessant sein, wie Alain Junger betonte. Voraussetzung dafür wäre, dass die Pflegedaten in einem ersten Schritt semantisch in die entsprechenden FIM®-Items überführt und in einem zweiten Schritt entsprechende Codierungsregeln entwickelt werden. In Zukunft könnten mithilfe von künstlicher Intelligenz Algorithmen entwickelt werden, welche diesen Prozess vereinfachen. Für Alain Junger ist klar: Gelingt es, Pflegedaten für verschiedene Assessments zu nutzen, sinkt die Belastung des Pflegepersonals – und die Qualität der Daten steigt.
Die Krisenintervention «Life» für Jugendliche zeichnet sich durch neue Behandlungsansätze aus. Diese wurden von lic. phil. Sandra Koenig Heuer und Dr. phil. Fabian Probst von der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich präsentiert. «Life» ist ein ressourcenorientiertes, von einem interdisziplinären Team begleitetes Programm im Rahmen eines stationären, tagesklinischen oder ambulanten Aufenthalts. Dieser dauert maximal drei Monate und hat die ganzheitliche Reintegration der Jugendlichen in ihr Umfeld zum Ziel. Um das noch junge Angebot zu evaluieren, wurden bei Ein- und Austritt die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die sozialen und persönlichen Ressourcen und die klinischen Symptome der Patientinnen und Patienten erhoben. Die Bilanz nach einem Jahr ist sehr erfreulich, wie Sandra Heuer und Fabian Probst konstatierten: Die Evaluation zeigt in allen Bereichen eine Verbesserung. Zugleich konnte «Life» die Wartezeit bis zum Behandlungsstart verkürzen und andere Angebote entlasten.
Ausgewählte Take-Aways aus den Plenumsveranstaltungen
Wie erfüllen die Kantone ihre Aufträge in den Bereichen Qualitätssicherung und Versorgungsplanung? Und welche Rolle spielen die ANQ-Messergebnisse dabei? Diese Fragen standen im Zentrum der Plenumsvorträge.
Grundzüge der kantonalen Qualitätssicherung in Bern
Margaux Bovet-Wüthrich von der Abteilung Versorgungsplanung des kantonalen Gesundheitsamts gab Einblicke in die Qualitätssicherung des Kantons Bern und zeigte auf, wie der Kanton die gesetzlichen Vorgaben umsetzt. Drei Pfeiler sind für seine Aktivitäten zentral: das Monitoring von Qualitätsindikatoren, die Projektunterstützung sowie die jährlichen Treffen mit den Qualitätsverantwortlichen von Spitälern und Kliniken. Im Rahmen des Monitorings stützt sich der Kanton auch auf ausgewählte Messergebnisse des ANQ. Weist ein Spital auffällige Resultate auf, wird es um eine Stellungnahme gebeten. Je nach Situation folgen ein Treffen sowie eine Zielvereinbarung mit dem Kanton. Margaux Bovet-Wüthrich unterstrich, dass auffällige Resultate nicht zwingend auf eine schlechte Qualität hinweisen müssten. Deshalb seien der Dialog mit den Spitälern und Kliniken und die genaue Analyse der Ergebnisse für das Gesamtbild zentral.
Die Strategie zur Überwachung der Versorgungsqualität des Kantons Wallis
Der Dialog mit den Leistungserbringern hat auch im Kanton Wallis grosses Gewicht, wie der an der Universität Fribourg und am Walliser Gesundheitsobservatorium tätige Prof. Arnaud Chiolero, MD PhD, erklärte. Die kantonale Strategie zur Überwachung der Versorgungsqualität beinhaltet folgende Elemente: eine klare Governance, ein Kompetenzzentrum, das unter anderem die nationalen Indikatoren überwacht und Fachleute in der Interpretation der Indikatoren ausbildet, sowie eine Qualitätsplattform für den Wissensaustausch zwischen den beteiligten Partnern.
Im zweiten Teil des Vortrags schilderte Gaëlle Moos von der Clinique de Valère ihre Erfahrungen im Kontakt mit dem Kanton Wallis. Als sie 2018 zum ersten Mal zur Teilnahme an der Qualitätsplattform eingeladen wurde, war die Anspannung ziemlich gross – und der Vorbereitungsaufwand beachtlich. Heute freue sie sich auf die Treffen, so Gaëlle Moos. Und besonders wichtig: Die kantonale Strategie sorge dafür, dass sich auch die Spitaldirektionen vermehrt mit dem Qualitätsthema beschäftigen müssten. Dies sei zentral, damit die Initiativen der Qualitätsverantwortlichen in den Spitälern und Kliniken mehr Gewicht erhalten und erfolgreich umgesetzt werden könnten.
Der Q-Day bot ein umfassendes und reichhaltiges Programm. Aus Platzgründen beschränkt sich dieser Veranstaltungsrückblick auf ausgewählte Plenumssessions sowie die Plenumsvorträge.
Bilder: © Tanja Lander / ANQ