Ich hatte mehrfach die Gelegenheit, in der FEG Gümligen zu predigen und konnte dabei die Dynamik dieser christlichen Gemeinschaft aus der Nähe beobachten: ihre Krisen, die Zeiten des Wandels und die Höhenflüge. Eine Person sticht mir dabei besonders ins Auge. Er ist stets anwesend und fällt durch seine unaufdringliche, positive Ausstrahlung auf. Er heisst Jonathan Germann. Doch da im Kanton Bern praktisch jeder einen Spitznamen hat – ob „Hänne“ oder „Pege“ – nenne ich diese FEG-Persönlichkeit des Monats kurz und bündig: Joni.
Welschenrohr
Joni verbringt seine Jugend im solothurnischen Welschenrohr. Seine gläubigen Eltern gehören dem damaligen Brüderverein an, der heutigen Gemeinde für Christus. Obwohl der Brüderverein in jener Zeit als sehr strikt und konservativ gilt, geniesst Joni zu Hause grosse Freiheiten. Welschenrohr selbst ist ein kleines, katholisch geprägtes Dorf. Ein Umstand, der heute unvorstellbar scheint: Joni wird der Besuch des Kindergartens verwehrt, da er evangelisch ist. Schon als Kind träumt er davon, Helikopterpilot zu werden. Im Unterweisungskurs in Steffisburg nimmt Joni Jesus als seinen Herrn an. “Das geschah leider unter grossem Druck, aber hat bis heute gehalten”.
Der Pilot
Joni beschreibt seine Jugend als „cool“ und betont, dass er das elterliche Vertauen voll auskostete. Er wird zum Mountainbike-Pionier und saugt alle möglichen Interessen auf. Das Taschengeld verdiente er sich ungewöhnlich: zusammen mit seinem Cousin arbeitete er im Steinbruch der Familie. „Das hat mir sehr gefallen, besonders das Sprengen,“ erinnert er sich. Mit dem diesem Geld und dem Lehrlings Lohn finanziert er sich Flugstunden in Pruntrut für 90 Franken pro Stunde. „Ich habe damals viel investiert, aber es hat mich vor Dummheiten bewahrt.“ Parallel zur Ausbildung zum Maschinenmechaniker bei Sulzer erwirbt er mit 23 Jahren das Brevet für einmotorige Flugzeuge. Der Traum vom Heli Pilot rückt näher.
Sylvia
Seine Stärken – Beziehungsfähigkeit und Lösungsorientierung – beweisen sich auch in der Begegnung mit seiner späteren Frau Sylvia. Parallel zum Singen im Brüderverein-Männerchor findet Joni Anschluss an die FEG Langenthal, wo er beim Neubau dabei ist. „Ich habe kräftig mitgeholfen, das war mein Ding.“ In dieser Zeit baut er enge Kontakte auf, etwa zur Familie „Aschi“ (Ernst) und Monika Käser, deren Sohn Joël er als Götti begleitet. Durch die Familie und die Jugendgruppe lernt er auch Sylvia kennen. „Sie wollte mich eigentlich zuerst nicht, weil sie meinte, ich sei intelligenter als sie. Aber das funktionierte nicht, weil ich eben lösungsorientierter Mensch bin und ich sie liebe.“ Die Strategie geht auf: Die beiden sind seit 43 Jahren glücklich verheiratet und haben drei erwachsene Kinder.
Der Traum wird nicht wahr
Der Kindheitstraum vom Helikopterpiloten lässt Joni nicht los. In einem Gespräch mit Ernst Vater (ehemaliger Direktor der Liebenzeller Mission) und einem Missionar aus Bolivien wird ihm von der Laufbahn als Missionspilot bei MAF abgeraten. Auch die Idee, als Werkmissionar zu arbeiten, zerschlägt sich. Alle Türen gehen zu. Joni und Sylvia sehen dies als Gottes Plan und fokussieren sich auf die Gemeindearbeit: Joni in der Jungschar und Sylvia in der Kinderarbeit.
Die offene Tür kommt 1987: Das Diakonissenhaus Bern sucht einen Mann für den Technischen Dienst. Eine Stelle, die perfekt passt. „Ich blieb 36 Jahre dort und habe die vielseitige Arbeit geliebt. Ich bin gerne ein Tüftler und habe es gerne mit Menschen zu tun.“ Für diese neue Herausforderung zieht die Familie schliesslich nach Bern. Seit 1991 hilft er in Simbabwe mit. Durch seinen Bruder welcher dort als junger Ingenieur zusammen mit einem Schweizer Arzt ein Spital für die Heilsarmee aufbauten, kam er in Kontakt mit der Heilsarmee. Er betrieb bis 2021 ein grosses Lager für Hilfsgüter und organisierte regelmässig Container Sendungen für Simbabwe, Sambia, Kongo und Haiti. Er besucht seither immer wieder Simbabwe und war auch im Kongo in Kinshasa und Südafrika um zu helfen und ist heute im schweizerischen Vorstand der Bergmannsmission IMM (International Miners Mission) welche für Simbabwe zuständig ist.
Wir bleiben
Nach dem Umzug wollen Joni und Sylvia bewusst nicht mehr in einer so grossen Gemeinde wie Langenthal (heute eine der grössten FEG-Gemeinden) aktiv sein. Fündig werden sie in der FEG Gümligen, die gerade einen Jungscharleiter suchen. Passt! Seitdem ist die Vorstadtgemeinde ihr Zuhause, wo Joni bis heute vielfältige Dienste übernimmt.
Doch auch Gümligen erlebt turbulente Zeiten. Mit einem neuen Pastor kommt es zu tiefgreifenden Differenzen. Joni bemerkt: „Es war für mich schwierig zu verstehen, warum sich viele an ihm gestossen haben.“ Der Höhepunkt ist ein schmerzhafter Bruch, bei dem viele erwachsene Mitglieder die Gemeinde verlassen. „Es tat weh, all die guten Geschwister und Freunde zu verlieren. Es hat mich traurig gemacht.“ Gerettet wird die Gemeinde durch die junge Generation. „Wären die Jungen auch gegangen, gäbe es die FEG Gümligen heute nicht mehr.“
Die heutige FEG Gümligen ist eine frische, lebendige Gemeinde. „Ich bin oft der Älteste in einer Runde, aber ich liebe die engagierten jungen Christen. Wir haben uns entschieden, auch in schwierigen Zeiten zu bleiben – wir haben uns FÜR die Gemeinde entschieden.“