Doris weiss, was sie will FEG Persönlich Doris Meister

Wie oft täuschen wir uns in Menschen. Oft bestimmt das Äussere oder die erste Begegnung unsere Meinung über den Menschen. Ich habe gelernt: Liebe heisst zuhören, hinschauen, nachfragen und entdecken, wie vielfältig und wertvoll Gott uns Menschen doch geschaffen hat. Gerne nehme ich dich mit in die Lebensgeschichte von Doris Meister, der Vision-Europa Missionarin, die nicht nur auf den ersten Blick beeindruckt.

Harry Pepelnar arbeitet zu 30 Prozent für die FEG Schweiz im Bereich Kommunikation, pepelnar@gmail.com

Ein braves Kind

Es ist ein Sonntag im August 1963, als Doris in Zürich, als erstes von zwei Kindern zur Welt kommt. Aha, ein Sonntagskind, denke ich, und sie bestätigt: «Ja, ich war ein sehr braves Kind.» Der Sonntag zieht sich durch ihr Leben, denn schon als Kind geht sie gerne in den Gottesdienst. Ihre Eltern engagieren sich zunächst in einer Gemeindegründung in Bülach, später ziehen sie nach Dübendorf. «Ich bin immer gerne in die Gemeinde gegangen.»

Erster Kontakt mit der Mission

Damals gibt es noch diese Sparkässeli mit der schwarzen Figur, die jedes Mal nickt, wenn man ein Geldstück einwirft. Heute darf man diese weit verbreitete Missionsspardose nicht mehr so nennen. Die Zeiten ändern sich. Die kleine Doris ist jedenfalls nicht begeistert, als das Ding kaputt geht. «Mein Papa hat sie dann repariert und später wurde mir bewusst: Das war mein erster bewusster Kontakt mit Mission!» Schon als Kind freut sie sich, wenn die Missionare mit ihren grossen Diaprojektoren Bilder aus fernen Ländern an die Wand werfen. «Ich war jedes Mal total beeindruckt!»

Ich bin ein Sünder

Der Heilige Geist wirkt an der zwölfjährigen Doris und sie bekehrt sich auf einer Kinderfreizeit. Und das hat Wirkung gezeigt: «Danach habe ich abends immer wieder das Lied gesungen: Ich bin entschieden, zu folgen Jesus! Bis meine Eltern sagten, ich solle jetzt endlich schlafen gehen!» In der Pfimi Buchegg lässt sie sich mit 19 Jahren taufen – ja, sie ist entschieden, Jesus nachzufolgen.

Drogistin und Bäuerinnenschule

Es folgen eine Ausbildung zur Drogistin an der Urania­strasse in Zürich. «Ihre Drogerie für ein gesundes und glückliches Leben» steht im Schaufenster, und das wird ihr Credo: «Das will ich bis heute, dass die Leute mit einem Lächeln von mir gehen». Was sie als Dro­gistin lernt, wird später in der Mission zu einem wertvollen Schatz. Damals ist es üblich, dass junge Frauen die «Küchen-RS» absolvieren. Eine Ausbildung in Küche, Haushalt und Garten. Doch Doris will auf die Bäuerinnenschule. Ein halbes Jahr mit strengen Regeln.

Zum Abschlussabend waren auch Männer eingeladen: «Das war wie bei einer Viehschau! Familie war für mich immer ein Thema, aber bis heute hat es nicht geklappt, was auch viele Vorteile hat.»

Florenz und die Berufung

1988 fährt sie mit dem Zug nach Florenz. Ihr Ziel: drei Monate Sprachstudium. Sie kommt viel zu früh an, es ist erst 6 Uhr, da kann sie nicht schon bei der Gastfamilie klingeln. Also schlägt sie die Bibel auf und landet bei Jeremia. «Das ist die Sendung des Jeremia und Gott hat zu mir gesprochen – ich sende dich.» Als sie von der Bibel aufschaut, steht ein Regenbogen am Himmel. Will Gott sie nach Italien schicken? «Ich war mir der Berufung nicht sicher, habe ich selbst etwas hineininterpretiert?»

Bibelschule

Sie wird ermutigt, eine theologische Ausbildung zu ma­chen. «Eigentlich wollte ich nach Rom an die Bibelschule, aber komischerweise bekam ich nie eine Antwort auf meine Bewerbung.» Also Beatenberg. «Das war eine lehrreiche Zeit, aber es herrschten strenge Regeln und das Internatsleben war kein Schleck. Was mich nicht umbringt, macht mich stark, diese Einstellung hat mir sehr geholfen.»

Eine alleinstehende Frau geht nicht

Jeden Mittwoch kommen Missionare und berichten von ihrer Arbeit in aller Welt. «Aber in meinem Herzen bin ich immer in Italien geblieben!» Es gibt nur ein Problem: Doris ist eine Frau und ledig! Niemand sieht eine Möglichkeit. «Das hat mich sehr traurig gemacht.» Auch die Europamission (heute Vision Europa) hat kein Projekt für alleinstehende Frauen. Sie bewirbt sich bei einem Radioprojekt in der norditalienischen Brianza, das eine Gemeindegründung anstossen will, und wird eingestellt. «Das Evangelium kam so in viele Häuser, doch nur wenige Leute haben sich persönlich gemeldet. Aber ich habe die italienische Lebensart kennen gelernt!»

Brianza und Reto

Wie sucht man in Italien eine Wohnung, denn irgendwo muss Doris ja wohnen. Man schaut sich in den Kaffee­bars um und fragt, und so kommt sie zu ihrer ersten Wohnung, sogar möbliert, aber alt und schäbig. Reto Dittli von der Vision Europa kommt zum Radioteam und das Gemeindegründungsprojekt nimmt Fahrt auf. «Am Anfang waren alle begeistert, aber dann waren es nur noch Reto, ich und eine weitere Person. Der Beginn war sehr mühsam!» Sie ist 35 Jahre alt und wechselt wie geplant ganz in die Gemeindegründung. «Die ersten Gottesdienste und Bibeltreffen hielten wir in Bars ab, die Gottesdienste in Turnhallen, wo wir erst einmal die Bilder mit nackten Männern und Frauen ab­hängen mussten!»

Gottesdienst im Fitnesscenter

Sie weiss, was sie will

1997 wird sie von der Vision Europa als Missionarin an­gestellt. Die Arbeit in der Brianza wird zum Segen und später in die Hände einheimischer Christen übergeben. Seit 2011 arbeitet Doris mit einem Team am Aufbau einer neuen Gemeinde in der Groane. Im italienischen Gemeindebund UCBC wird sie in die Leitung berufen und ist auch dort, wie an anderen Orten, die einzige Frau.

Einsatz am Stadtfest

Doris sagt von sich, sie sei zerbrechlich, aber Gott gehe immer voran. Sie beschreibt sich als Macherin und Visionärin. «Ich liebe es, die Gemeinden in der Schweiz zu besuchen. Manchmal bin ich ein bisschen traurig, dass es in der Schweiz nicht mehr Aufbrüche gibt.»

Heute, im April 2024, ist Doris 30 Jahre im Einsatz in Italien. «Nach der Pensionierung werde ich nicht in die Schweiz ziehen. Italien ist meine zweite Heimat geworden.»