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Petra Moßhammer BAM!

Kunst ist ein Lebensmittel

Eine Tüte mit Chips hat dieser Ausstellung den Titel gegeben. „BAM!“ steht in großen Buchstaben auf der türkisgrünen Verpackung, über dem Schriftzug explodiert eine feuerrote Chilischote. Ein Fläschchen mit extrascharfer Soße kullert über die Tischdecke, die Dosen mit den Dips liegen herum. Das Bild ist ein Stilleben mit Teenager. Die Ellbogen aufgestützt, der Blick lässig gelangweilt. Nur die wummernde Musik muss man sich vielleicht noch dazudenken.

Die Bilder von Petra Moßhammer wirken nicht nur so, als wären sie direkt aus dem Leben gegriffen, sie sind es auch. Alle Ingredienzien für ihre Malerei sind echt: Die Chipstüte, die Dosen, die Maggiflaschen und die Kakaopackungen aus dem Vorratsschrank ebenso wie die Kürbisse und Krautköpfe aus dem Garten. Aber auch alles andere, was in diesen Bildern auftaucht, findet sich irgendwo im Haus der Malerin am Walchensee. Dort gibt es eine Sammlung von Tischventilatoren und von anderen Haushaltsgeräten aus den Fünfziger Jahren. Auch die Stola aus Fuchspelz und die gestreifte Bettwäsche, die Winkekatze und die Guglhupfform sind da. Im Küchenregal stehen die blau geringelten Kaffeetassen. Und natürlich saß auch das junge Mädchen mit aufgestützten Ellbogen so lange am Tisch, bis das Bild fertig war.

In ihrem Atelier baut Petra Moßhammer ihre Bilder zuerst aus echten Dingen und echten Menschen, dann greift sie zu den Pastellkreiden oder den Ölfarben. Sie malt, was sie sieht – und zwar in Lebensgröße. Oft wählt sie deshalb denkbar enge Bildausschnitte, ihr Zugriff auf die Motive ist ebenso beherzt wie gekonnt. Die fertigen Blätter oder Leinwände strotzen vor Farbe, Dynamik, Emotion. Striche, Pinselspuren, Farbtupfer und Farbflecken bleiben bis zuletzt sichtbar und sind entscheidende Elemente für die Bildgestaltung. Der Entstehungsprozess hat, so scheint es, ebenso Bedeutung wie das Endergebnis. Die eigenwillig bewegten Bildstrukturen sorgen aber nicht zuletzt auch dafür, dass die meisten Bilder trotz der sorgfältigen Arrangements wie Schnappschüsse wirken, heimlich aufgenommen in Momenten des süßen Nichtstuns oder aber der völligen Versunkenheit im Tun. Manchmal fühlt sich der Betrachter fast wie ein Voyeur und manchmal blickt er ratlos auf Situationen, die voller Andeutungen sind. So liegt etwa neben einem anderen Mädchen mit dem Lächeln der Gioconda eine weitere Chipstüte, auf der Leonardos geheimnisvolle Schöne ausgerechnet als Trüffelschwein abgebildet ist. Nicht selten geben minutiös ins Bild übertragene Markennamen, Beschriftungen und andere Textfragmente dem Offensichtlichen eine mehr als überraschende Wendung.

Petra Moßhammer, 1961 in Gunzenhausen geboren, hat ein Studium der Pharmazie abgeschlossen und ist approbierte Apothekerin. Als sie 1989 beschloss, Künstlerin zu werden, war sie Doktorandin am Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Erst nach der Promotion bewarb sie sich an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Bis dahin hatte sie sich bereits im Selbststudium und in Abendkursen an der Volkshochschule das Zeichnen beigebracht. Mit ihrer Mappe sprach sie bei allen Professoren vor. Am Ende landete sie in der Klasse von Johannes Grützke. Sie sollte nicht nur seine Meisterschülern werden, er bezeichnete sie sogar als seine einzige Schülerin überhaupt. Die Kompromisslosigkeit, ja Schonungslosigkeit, mit der sie ihre Sujets behandelt, verbindet sie mit ihrem Lehrer.

Mit Fleiß, Disziplin und Durchhaltevermögen hatte Petra Moßhammer ihr erstes Studium zu Ende gebracht, bevor sie sich ihrer eigentlichen Berufung zuwandte. Aber auch die Kunst, für die sie mit Leidenschaft brennt, war und ist für sie Arbeit, nicht einfach genialer Wurf. Ebenfalls mit Fleiß, Disziplin und Durchhaltevermögen schulte sie ihren Blick, eignete sie sich ihre zeichnerische Virtuosität an und entwickelte sie schließlich ihren eigenwilligen Gestus. Man müsse die Tätigkeit lieben, nicht nur das Resultat, sagt sie. Und diese Liebe zum Tun sieht man jedem ihrer Bilder an.

Kunst ist für Petra Moßhammer ein Lebensmittel – nicht mehr und nicht weniger. Und um das zu verstehen, muss man vielleicht in ihrer Biografie noch weiter zurückgehen als bis zum Pharmaziestudium. Aufgewachsen ist Petra Moßhammer in einer Bäckerei im mittelfränkischen Gunzenhausen. Das „Bäckermädl“, wie sie selbst sagt, liebte in der Schule den Kunstunterricht und das Theaterspielen. Aber nicht nur ihre Familie, auch sie selbst hätte sich niemals vorstellen können, das daraus ein Beruf werden könnte. Und dass man diesen Beruf dann auch noch an einem Ort ausübt, an dem irgendwie immer Ferienstimmung herrscht: In einer ausgebauten Gartenlaube neben einem urgemütlichen Haus mit Blick auf den Walchensee und die nahen Berge.

Als Künstlerin zeichnet sich Petra Moßhammer nicht zuletzt dadurch aus, dass sie sich ihre Bodenständigkeit bewahrt hat. So arbeitet sie etwa grundsätzlich mit Modellen, die sie für die Arbeit bezahlt, nach Stunden und mit echtem Geld. Sie setzt sie ins Atelier und platziert vor ihnen die Dinge, die später im Bild zu sehen sein sollen. Das Papier oder die Leinwand muss so groß sein, dass alles darauf Platz hat. Und dann malt sie so lange, bis alles gemalt ist. In Echtzeit und in Originalgröße. Es gibt keine Skizzen und erst recht keine Fotovorlagen. Sie sagt: „Gemalt wird, was auf den Tisch kommt!“

Katja Sebald

Dank

Im Rahmen dieser Onlinepräsentation möchte ich mich bei Katja Sebald für ihren einfühlsamen Text bedanken, ein großer Dank geht an Paulo Mulatinho für seine schöne visuelle Umsetzung, seine Geduld und Ausdauer.

Die Ausstellung ist vom 11. November bis 23. Dezember 2023 zu den Öffnungzeiten der Galerie zu besuchen.

galerie 13 - fritz dettenhofer