Geschenke aus der Eiszeit Outdoor-Erlebnisse auf langeland

Eine ertrunkene Eiszeitlandschaft formte einst das Südfünische Inselmeer mit seinen 55 dänischen Inseln und Inselchen. Das längste Eiland ist – wie der Name schon verrät – Langeland. Dort treffen Wildpferde, ­feine Sandstrände, Naturphänomene, Schlösser und Oldtimer-Kult zusammen.

Eine Multimediareportage von Jessica Blank

Jedem Schritt folgt ein sanftes Klackern. Die eierrunden Steine kullern unter den Schuhsohlen hinweg. Klack. Klack. Klack. Auch die Wellen sorgen für eine Sinfonie der Natur, als sie auf den einzigartigen Kiesstrand brechen und mit ihrer Kraft die Steine ins Rollen bringen. Eine Familie sammelt die schönsten Rundlinge in einem Körbchen. Die Kinder bauen kleine Steinmännchen. Über ihnen ragt die Dovn Klint auf. Ein Geschenk aus der Eiszeit. Die Gesteinsschichten der Klippe erzählen ihre Geschichte. Die Geschichte einer versunkenen Eiszeit-Landschaft.

Als am Ende der letzten Eiszeit die Gletscher schmolzen, stieg der Meeresspiegel dramatisch an. Was blieb, sind 55 Eilande im Südfünischen Inselmeer, das 2024 von der UNESCO zum Global Geopark ernannt wurde. Eine dieser dänischen Inseln ist Langeland. Ebenfalls geprägt von der Eiszeit. Über 1.000 runde Hatbakker – Huthügel – hat ein Gletscher vor etwa 17.000 Jahren regelrecht über die Insel gesät. Ihre Kultivierung fällt ganz unterschiedlich aus. Auch die Klippen, die sich vom Süden der Insel über die Westküste bis zur Ristinge Klint wie eine Perlenkette ziehen, sind Huthügel. Das Meer hat sie über die Jahrtausende abgetragen und mittlerweile geradezu durchgeschnitten.

Hoch oben auf der Gulstav Klint stehen Radfahrer und lassen ihren Blick übers Meer streifen, wo ein einsames Segelboot gleitet. Der Wind erfrischt trotz warmer Spätsommertemperaturen auf dem Weg entlang der Klippe. Knorrige, vom Wind gebeugte Bäume prägen den Wald, liegen teils quer über dem Pfad. In der Ebene zwischen den Huthügeln hat der Gletscher Feuchtgebiete und Moore wie das Gulstav Mose entstehen lassen.

Am Ende des Waldweges versperrt ein Gatter den Weg. Noch einmal um die Ecke biegen – und da sind sie: die wilden Pferde von Langeland. Braune Exmoor-Ponys grasen auf der Feuchtwiese, manche stehen mitten im Wasser, trinken oder rupfen Schilf. Die Fohlen folgen ihren Müttern Tritt auf Tritt. Ein Wildpferd wälzt sich im nassen Gras, zwei andere knabbern sich gegenseitig die Mähnen, betreiben Fellpflege.

Mehrere Wildpferde-Herden sind auf Langeland zu Hause. Die meisten davon im Süden zwischen der Dovn Klint und der schönen Hafenstadt Bagenkop mit ihren roten Holzhäusern. Sie leben – oft zusammen mit Kühen – in großen, zwar eingezäunten Weiden, sind sich aber selbst überlassen. Menschen überwachen sie nur medizinisch.

Trittsicher kraxelt das Pferd über die Steine am Strand und steuert direkt aufs Meer zu. Ein Wildpferd ist es aber nicht. Es ist der Isländer Vardi, der sich die Beine kühlen und einen Schluck salziges Meerwasser trinken will. Seine Reiterin Elisabeth lacht, als der Braune anfängt, mit seinen Beinen im Wasser zu planschen. Dass sie dabei nass wird, stört sie nicht. „Ich mag es, dass Wälder und Strand so nah beieinander sind. Man hat hier viele unterschiedliche Arten von Natur auf wenig Raum“, erzählt die 23-Jährige. Sie lenkt ihren Isländer aus dem Wasser. Im Gehen schnappt er sich ein Maul voll getrockneter Algen als Snack.

„Die Leute lieben Islandpferde, weil sie so ruhig sind“, erklärt Elisabeth, die ein paar Jahre auf dem Gestüt Almindingen in Tranekær gearbeitet hat. Die Besitzerin Helle trainiert die zum Teil selbst gezüchteten Pferde viele Jahre, damit die Urlauber, auch Anfänger und Kinder, sich bei den Touren auf sie verlassen können. Beliebt sind im Sommer die Sonnenuntergangs-Ritte. „Da sieht man im Wald abends viele Tiere“, erzählt Elisabeth.

Auf einem Feldweg baut Elisabeth Verbindung am Zügel auf, lehnt sich leicht zurück und gibt Druck mit den Schenkeln. Vardi reagiert sofort und töltet bequem schaukelnd los. Durch den Wald zieht sich ein weicher Pfad Richtung Stall.

99 Tierarten in freier Wildbahn – so viele sollte jedes Kind gesehen haben. Sagt zumindest Nynne. Sie ist CEO der Naturdestination Skovsgaard, ein 245 Hektar großes Gelände, das der Renaturierung gewidmet ist und komplett unter Naturschutz steht. Grasland, Heide, Feuchtgebiete, Dickicht, Meer. Dort ist alles vertreten – auch die heimischen 99 Arten. Sie zu finden, ist die Mission vieler Kinder und Familien. Am Equipment scheitert es nicht: Gummistiefel, Anglerhosen, Kescher, Lupen – alles da für große und kleine Naturforscher. „Wir wollen die Kinder näher an die Natur bringen und gute Erlebnisse schaffen“, erklärt Nynne.

Auf Skovsgaard können große und kleine Naturforscher allerhand entdecken...

Ein kleines Bed and Breakfast – das war schon immer Joans Traum. Mit dem AnnaHus hat sie ihn verwirklicht.

Das Gebäude hat eine lange Historie und war früher das Zuhause einer Kommune auf Langeland. Im herrlichen Garten kann man sich wunderbar erholen und seine Erlebnisse Revue passieren lassen.

Heute verwöhnen Joan und Lars-Erik ihre Gäste mit liebevoll zubereitetem Frühstück in ihrem AnnaHus B&B.

Laut knattert ein heller Schatten vorbei an bunten Kornblumen, zum Abschied winkt ein Fuchsschwanz im Fahrtwind. Mit 25 Sachen braust er gemächlich vorüber an Apfelbaumplantagen, abgeernteten Getreidefeldern und den zahlreichen Windrädern, die Langeland energieautark machen. Die rote Lederjacke der Fahrerin ist ein Farbklecks in der Landschaft. Mit ihrer Puch Maxi hält sie an einer Gårdbutik, schaut, was es im Angebot gibt. Äpfel, Kartoffeln, Honig – alles regional im Hofladen.

Seit 32 Jahren lebt Birgit Coch schon auf Langeland. Doch eine Mofa-Tour über ihre Insel hat sie noch nie unternommen. Dabei sind die Oldtimer-Mofas Kult auf Langeland, ja in ganz Dänemark. Steffen verleiht 15 Stück an Einheimische und Touristen. Einen Hinweis auf die Vermietung sucht man an seiner Werkstatt in Rudkøbing vergeblich. Die Puch Maxi Mofas sind einfach zu wertvoll.

Die weiße Puch Maxi tuckert mit Birgit Coch durch ein Waldstück, das zu Schloss Trankær gehört, eines von vielen Herrenhäusern auf Langeland.

Kurz vor dem rostroten Schloss fährt Birgit eine Allee entlang und biegt dann Richtung Medizingärten ab. In sechs Themengärten wächst Nordeuropas größte Heilpflanzensammlung.

Egal ob für Atmung, Verdauung oder Kreislauf: Dort ist gegen alles ein Kraut gewachsen. Kinder spielen im Weidentipi oder Johannisbeerlabyrinth und können viele essbare Pflanzen probieren.

Weiter geht die Mofatour Richtung Ostküste, „meine Lieblingsküste“, erzählt Birgit. Dort wohnt sie auch und vermietet ein Sommerhäuschen.

Der Stengade Skov endet direkt am feinen Sandstrand – mit einem berühmten, mächtigen Baum, der teils am Strand, teils im Schatten des Waldes ruht: Oehlenschlägers Buche. An diesem Ort soll der Dichter Adam Oehlenschläger zur dänischen Nationalhymne inspiriert worden sein. Und: „Auf ihre Nationalhymne sind die Dänen sehr stolz“, sagt Birgit, die mittlerweile mehr Dänin als Deutsche ist.

Sie schwingt sich ein letztes Mal auf den Sattel der Puch Maxi, auch wenn dieser nicht mehr so bequem ist wie am Anfang der langen Tour. Mit wehendem Fuchsschwanz braust die Frau mit der roten Lederjacke am Meer entlang Richtung Spodsbjerg.

Vorbei an einer Sommerhaus-Siedlung, die in der Nebensaison fast verlassen ist. Doch im Sommer, da wird es dort wieder wuseln. Wenn die Häuser von Ferienfamilien mit Kindern bewohnt sind.

Anreise: Mit dem Flugzeug nach ­Kopenhagen, weiter mit dem Mietwagen über die Storebæltbroen nach Fünen und über Brücken nach Langeland (ca. 2,5 h). ­Alternativ mit dem Auto von Flensburg über Fünen nach Langeland (ca. 2,75 h).

Unterkunft: Anna Hus, liebevoll geführtes Bed & Breakfast mit aus­gezeichnetem Frühstück, annahus.dk; für Familien eignen sich die zahlreichen Sommerhäuser

Aktivitäten: Reiten: Gestüt Almin­dingen, turridninglangeland.dk; Mofa-Tour: Puch Maxi Verleih, Rudkøbing; Naturdestination Skovsgaard, skovsgaard.dn.dk; Medizingärten, medicinhaverne.dk

Weitere Infos: Visit Langeland, www.govisitlangeland.de

Fotos und Videos: Jessica Blank