Eine etwas verrückte, aber unglaublich schöne Tour.
Es gibt Bergtouren, die man niemals wieder vergisst. Unsere Bikepacking Tour hoch zum Rifugio Emilio Questa in den italienischen Seealpen gehört sicherlich dazu. Und das hat mehrere Gründe. Wir sind nicht auf Schusters Rappen unterwegs, sondern mit Mountainbikes im Bikepacking Stil. Ob wir es zum Rifugio hoch am Lago delle Portette in 2388 m Höhe schaffen, wissen wir nicht. Ist uns eigentlich egal, wir müssen nirgendwo ankommen. Und warum Bikepacking und nicht Trekking hat auch seine Gründe. Mehrere Knie OP’s, Knorpelschäden etc. lassen es nicht zu, dass ich mit 20-Kilo-Rucksack oder mehr über die Berge stapfe. Meine Devise: Gepäck lieber rollen als tragen. Und auf Abenteuer verzichten? Auf gar keinen Fall.
Ein weiterer Grund, die Tour mit dem Mountainbike zu machen, ich wollte mein neu aufgebautes Surly Karate Monkey Mountainbike ohne Federelemente ausgiebig testen und herausfinden, ob alle Komponenten und Anbauteile so funktionieren wie gedacht, wie zum Beispiel die Stromversorgung via Nabendynamo und Spannungsregler. Warum und weshalb sowie Tipps und Tricks gibt es hier.
Wir haben es langsam angehen lassen mit einer kleinen Einführungsrunde am ersten Tag zur Eingewöhnung und Akklimatisation. Und trotzdem wäre unsere Tour beinahe ins Wasser gefallen. Als wir abends, es war stockdunkel und wir hatten keine Stirnlampen dabei, vom Restaurant zurück zu unserer rollenden Unterkunft gehen sind wir etwas übermütig und albern herum. Erich verliert die Balance und stürzt. Dummerweise steht ein Felsbrocken etwas ungünstig im Weg. Ergebnis: eine stark blutende Platzwunde am rechten Stirnlappen, zum Glück oberhalb der Schläfe. Das hätte dumm ausgehen können. Gut, dass wir genügend Mull und Pflaster dabei hatten.
Aber der Reihe nach. Ausgangspunkt unserer Tour ist der Wohnwagenparkplatz bei der Kapelle Chiesa di Termi di Valdieri, nahe der Terme di Valdieri (1368 m). Dort parken wir unser Fahrzeug und radeln zum Rifugio Valasco (1763 m), einem ehemaligen Jagdhaus der königlichen Familie von Savoyen. Heute dient es als Berghütte mit insgesamt 45 Schlafplätzen. Einige davon sind Zwei- und Dreibettzimmer mit Bad und Massenlager für größere Gruppen. Alle vom Innenhof aus erreichbar. Dort hat es auch eine Bar und ein Restaurant. Der Weg dorthin führt über eine alte holprige Militärstraße.
Wer es sportlich angeht, kann die fünf Kilometer und 370 Höhenmeter in einer Stunde fahren würde aber die vielen großen und kleinen Dinge, die links und rechts vom Weg zu sehen sind nicht bemerken. Das wäre wirklich schade, denn es braucht einfach Zeit, um alles vollständig und bewusst wahrzunehmen. So gibt es über 2000 Pflanzenarten in der Region, davon um die 40, die es nur hier gibt. Es gibt so viele Arten, dass auch einem Botaniker schwindlig werden kann. Wir schweigen besser und genießen. Natürlich erkennen wir eine Erdbeere, wenn wir eine sehen.
Beim Rifugio Valasco angekommen lässt ein frisches Bier die Anstrengung dorthin schnell vergessen. Bis hierher waren noch einige mit Mountainbikes und mehr noch mit E-Mountainbikes unterwegs, aber in Überzahl waren die, die zum Wandern und Bouldern hierher gekommen sind. Ein bunt gemischter Haufen von jung bis alt. Aber die einzigen Bikepacker waren wir und der ein oder andere neugierig fragende Blick blieb nicht aus. Neben der Geselligkeit hätte ein zweites Bier schon gereizt, aber wir wollen ja kein Mittagsschläfchen machen, sondern uns langsam auf alten Militärstraßen und Schmugglerrouten in die Höhe schrauben Richtung Lago di Valscura.
Am Anfang noch einfach wurde die Strecke immer anspruchsvoller und immer spektakulärer. Oft hielten wir an, nicht nur, um Luft zu holen, sondern vielmehr um die Landschaft aufzusaugen. Es gab einfach so viel zu sehen. Große und kleine Dinge und ja, urplötzlich hatte ich sogar einen Mitfahrer - einen Bikesurfer - der beim letzten Stop mein Surly „sorgfaltig“ inspizierte und dann beschloss einige Höhenmeter mitzufahren.
Und weiter geht's mit spektakulären Momenten.
Wir schieben und radeln weiter auf dem Saumpfad bis wir wir den Lago di Valscura auf 2274 m Höhe erreichen. Hier oben treibt gerade ein junges Hirtenpaar Schafe zusammen, die für die Nacht ins Gatter müssen. Es soll Wölfe geben, die zum Leidwesen der Hirten gerne mal ein Schaf reißen. Als wir näher kommen, rasen zwei Hütehunde auf uns zu und bleiben wenige Meter vor uns abrupt stehen. Machen die es immer so oder war es der Pfiff des Schäfers, der sie gestoppt hat? Zum Glück sind wir keine Wölfe.
Aber dass wir hier oben auf einen Wolf treffen, ist äußerst unwahrscheinlich. Aufregend wär das schon, aber die Tiere sind sehr scheu. Vom Schäfer kaufen wir etwas Käse und eine Lammsalami, suchen uns einen schönen Platz direkt am See, bauen die Zelte auf - denn wir werden die Nacht über hier bleiben - und lassen uns Käse und Wurst so richtig schmecken.
Mitten in der Nacht, so um 01.30 Uhr wache ich auf. Habe ich einen Wolf heulen gehört oder nur davon geträumt? Muss wohl so gewesen sein, denn alles, was ich höre, ist das Schnarchen von Erich. Trotzdem bin ich jetzt hellwach, denn es scheint, als ob oben über dem Berg die Sonne aufgeht. Aber es war nicht die Sonne, sondern der Mond und der schien so hell, dass um mich herum alles klar zu erkennen war. Ein Wolf war nicht zu sehen.
Früh morgens beim ersten Tageslicht brechen wir auf. Wir haben schließlich noch einiges vor uns und zur Berghütte Rifugio Questa sind es Luftlinie noch lockere zwei Kilometer aber in Wirklichkeit werden es drei steinige Kilometer.
Die Schafe sind noch in ihrem Gatter als wir 200 Höhenmeter später über ihnen „schweben“. Allein der Blick nach untern war alle Anstrengungen wert.
Der rote Rhododendron oben im Bild, der sich am Fels festkrallt, scheint das Klima beim Lago del Claus in 2274 m Höhe zu bekommen. Vor 3 Wochen lag hier noch meterhoch der Schnee.
Vorbei am Lago del Claus sollen es bis zum Rifugio Emilio Questa nur noch 10 Minuten für den Bergwanderer sein, aber eins haben wir inzwischen gelernt, diese Zeitangaben auf den Wegweisern gelten eher für Hochleistungssportler, aber nicht für gewöhnliche Bergfreunde und für uns schon gleich gar nicht. Aber schön zu wissen, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis wir uns mit einem frischen, kühlen Bier zuprosten können.
Als wir oben am Rifugio Emilia Questa ankommen sind wir nicht die einzigen, die es hier hoch geschafft haben, aber wir sind die einzigen Bikepacker und jetzt mit breitem Grinsen im Gesicht. Und der Blick von der Hütte auf den Lago delle Portette allein ist Entlohnung genug. Wie heißt es so schön? No pain, no gain. Wir sind total „overgained“.
Und als alle anderen die Hütte schon verlassen haben, grinst Erich immer noch, still und heimlich in sich hinein.
Der Weg zurück ins Tal sieht von oben total easy aus, ist es aber nicht.
Das Video:
Wir Glücklichen haben die Tour sturzfrei bis zu unserem rollenden Hotel geschafft. Ohne E-Bike, ohne Viagra aber mit Helmet.
Die kleine Kapelle hinter dem Parkplatz scheint etwas Besonderes zu sein. Ein Wallfahrtsort? Bretter mit Nägeln beschlagen, zum Teil mit Heiligenbildchen, wecken unsere Neugier. Wir fragen Roberto, den Wirt vom Albergo Turismo und er verrät uns das Geheimnis: „Es war die Idee eines Priesters. Als ich ein Kind war, kam eines Tages der Priester mit einem Karren an, auf dem zwei dicke Bretter lagen. Er brachte die Bretter bei der Kapelle an, dazu eine Schachtel mit Nägeln, einen kleinen Hammer und eine Almosenschachtel mit dem Hinweis: Pianta un chiodo, Cento Lire!” Das heißt: Nagel einschlagen und 100 Lire da lassen!" Der Priester brauchte Geld für die Restaurierung der Kapelle! Ja, so fing alles an und funktioniert immer noch. Die Almosenbox wurde auch nie gestohlen!“
TAIARIN VERDI ALL'ORTICA von Robertos Mama
Brennnesselspaghetti für 3 Personen:
Die Zutaten: 400 g Mehl, 4 Eier, 100 g blanchierte Brennnesseln: 100 g
Vorgehensweise:
Sammle die noch kleinen Brennnesseln oder nur die Spitzen, wenn die Brennnesseln schon groß sind. Wasser in einem Topf zum Kochen bringen, die Brennnesseln hineinwerfen und blanchieren. Dann die Brennnesseln aus dem Wasser nehmen, zerdrücken und zu einer Kugel (100 g) formen. Alles Wasser herausdrücken. Dann die Brennnesselkugel sehr fein hacken. In eine große Schüssel die 400 g Weißmehl geben. Die vier Eier aufschlagen, die gehackten Brennnesseln dazu geben und alles gut durchschlagen und dann mit dem Mehl vermischen und kräftig kneten, so lange bis ein homogener und kompakter Teig entsteht, der nicht mehr an den Händen haftet. Gegebenenfalls muss noch etwas mehr Mehl hinzugefügt werden. Den Teig eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Danach den Teig dünn auf Bleche ausrollen und in auf in dünne Streifen (Taiarin) schneiden, die etwas länger als die üblichen Spaghetti sind.
Die Sauce dazu:
Eine fein gehackte Zwiebel in etwas Öl anbraten, in grobe Stücke geschnittenes Rindfleisch hinzufügen, mit den Zwiebeln mischen und ein wenig kochen. Es kommen Tomaten, Salbei und Rosmarin sowie eine in grobe Stücke geschnittene Karotte dazu. Etwas Wasser dazugeben und alles bei schwacher Hitze mindestens 1 Stunde und 30 Minuten garen lassen. Danach Fleisch und Karotten entfernen und hacken, mit der restlichen Sauce vermischen und 10 Minuten kochen lassen. Die Taiarin in reichlich kochendem Salzwasser einige Minuten kochen, mit dem Ragù (oder sogar mit gebräunter Butter oder Butter und Salbei) würzen und mit frisch geriebenen Parmesankäse bestreuen.
Buon appetito!
Wir wissen, dass es in der Gegend Wölfe gibt.
In freier Wildbahn haben wir leider keine getroffen, wissen aber, dass es bei Entracque das "Centro faunistico Uomini e Lupi" gibt, mit einem acht Hektar großen Freigehege, in dem Wölfe aus der Gegend untergebracht sind. Dabei handelt es sich ausschließlich um Tiere, die nicht in Freiheit leben können, weil sie Opfer schwerer Unfälle sind oder weil sie bereits in Gefangenschaft geboren wurden.
"Der Wolf, einer der größten europäischen Raubtiere, war im frühen zwanzigsten Jahrhundert aufgrund der Verfolgung des Menschen aus dem Alpenbogen verschwunden. Gegen Ende der 80er Jahre begannen jedoch einige Exemplare der Abruzzen-Apenninen, von Mittelitalien nach Norden zu ziehen, was durch die Fülle und Vielfalt der verfügbaren Beutetiere und durch die Zunahme der Waldflächen begünstigt wurde. So wurden im Dezember 1992, genau 70 Jahre nach ihrem Verschwinden, die ersten beiden Wölfe in den französischen Seealpen offiziell beobachtet und anerkannt. Ab diesem Moment begann die Art spontan, die südwestlichen Alpentäler neu zu besiedeln. Es handelte sich also nicht um eine Wiederansiedlung, wie es beispielsweise beim Steinbock der Fall war, sondern um eine natürliche Besiedlung, da die entsprechenden Umweltbedingungen für die natürliche Rückkehr dieses großen Raubtiers wiederhergestellt wurden. Dank sorgfältiger Überwachung in den 1990er Jahren, die (fast) kontinuierlich bis 2018 andauerte, wissen wir heute, dass in allen Tälern des Parks kleine Herden von Wölfen (5 bis 6 Tiere) leben." (übersetzt aus: Quelle)
Wer will, kann im Besucherzentrum mit Caterina (einer fiktiven Figur), die die Wölfe liebt und mit ihrer Kamera begleitet, mehr über deren Lebensgewohnheiten und soziales Verhalten erfahren, auch über ihre Jagdtechniken. Die Geschichte, die Caterina erzählt, ist wahr und handelt von Ligabue, einem jungen Wolf, der 2004 dank eines Funkhalsbands Tag für Tag in seinen Bewegungen vom Parma-Apennin bis zu den Seealpen verfolgt wurde.