Es braucht keine Leiter, die alles im Griff haben Us em Läbe

Mein Sohn und ich warten beim Arzt, um nach sechs Wochen endlich den Gips meines Sohnes loszuwerden. Als der Arzt ins Zimmer kommt, schaut er mich erwartungsvoll an und fragt: «Bist du ein Philosoph?» Ich frage etwas erstaunt, wie er denn darauf komme. Der Arzt meint: «Ich lese deine Artikel auf Facebook und ich finde es faszinierend, was du mit Jesus erlebst und wie ehrlich du von deinen Schwächen schreibst – Danke.»

Michael Dufner, Leiter Next Generation FEG Schweiz, michael.dufner@feg.ch

Wir kommen ins Gespräch über meine Arbeit als Pfarrer und deren Herausforderungen. Ich bin stolz auf meinen sichtlich gelangweilten Sohn, dass er doch die Chance dieses Gesprächs erkennt und Geduld beweist. Denn der Arzt fragt mich, ob ich ihm nicht mal eine Predigt schicken könne, was ich natürlich sehr gern machte.

Die Situation hat mir bestätigt, was für mein Leitungsverständnis wichtig ist: Menschen brauchen keine Leiter, die alles im Griff haben, sondern die zu ihren Fehlern und Mängeln stehen und diese anderen bekennen. Dadurch wird vielleicht unser «Ego» kleiner und bröckelt. Aber die Hoffnung, dass Jesus mit jedem andern auch Geschichte schreiben kann, diese Sehnsucht spricht Menschen an. Sie werden ermutigt, Jesus auch ihr Herz zu öffnen und mutig Schritte zu wagen. Oft verwehren wir dadurch, dass wir stark sein und alles im Griff haben wollen, anderen Menschen ihr Erfahrungsfeld mit Jesus.

Ich will Menschen die Chance geben, Fehler zu machen, sich zu entwickeln. Ich will lernen, ihnen Raum zur Entfaltung zu bieten und dabei selbst zurückzustehen – selbst wenn sie Jesus noch nicht als persönlichen Retter kennen. Sie sollen Jesus begegnen und nicht meinen Vorstellungen von dem, was sie zu leisten haben. Ich will meinen Blick für den Menschen, der geliebt, gewollt, befähigt ist, schärfen und nicht an meinem Programm, an meinen Erwartungen festhalten. In diesem Lernprozess erlebe ich immer wieder solche Storys wie mit dem Arzt. Sie trauen sich, Fragen zu stellen, sie trauen sich, auch Fehler einzugestehen, sie trauen sich, ihr Herz zu öffnen. So will ich dich ermutigen mit den Worten von Paulus: «Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohne.» (2Kor 12,9b)

Oft verwehren wir dadurch, dass wir stark sein und alles im Griff haben wollen, anderen Menschen ihr Erfahrungsfeld mit Jesus.