Persönliche Rück- und Ausblicke
Präsident Josef Müller und Geschäftsleiterin Dr. Petra Busch über Vergangenheit und Zukunft des ANQ
Josef Müller: Seit der Gründung des ANQ im Jahr 2009 hat sich sehr viel bewegt. Petra, du bist seit Anfang an dabei: Was geht in dir vor, wenn du zurückblickst?
Petra Busch: Zum einen spüre ich grosse Freude über das Erreichte. Zum anderen bin ich sehr dankbar. Wenn wir vom ANQ sprechen, sprechen wir ja vor allem von den Mitgliederorganisationen, die im ANQ zusammenarbeiten und dazu beigetragen haben, dass wir heute stolz auf unsere Kernkompetenz – die Qualitätsmessungen – sein können. Von ihrer Weitsicht und ihrer Kompromissbereitschaft hängt sehr vieles ab. Zentral für die Entwicklung des ANQ sind auch die über 130 ausgewiesenen Spezialistinnen und Spezialisten, die in den Qualitätsausschüssen und Expertengruppen mitarbeiten. Sie stellen die hohe Fachlichkeit und den engen Praxisbezug sicher. Sehr stolz bin auch auf die engagierten Mitarbeitenden der Geschäftsstelle. Ohne sie wäre die erfolgreiche Entwicklung des ANQ nicht möglich gewesen.
Josef Müller: Das klingt sehr positiv. Doch manchmal war es sicher ganz schön anstrengend, für den ANQ zu arbeiten …
Petra Busch: Ja, klar – aber das ist völlig normal. Man darf nicht vergessen, dass der ANQ in vielerlei Hinsicht besonders ist. Wir haben längere und komplexere Entscheidungswege als andere Unternehmen, Vereine oder Verbände. Der ANQ kann nur das realisieren, was Kostenträger und Leistungserbringer im Konsens beschliessen. Deshalb vergeht vom ersten Konzept bis zum Umsetzungsstart durch die Geschäftsstelle manchmal viel Zeit. Da kann es schon vorkommen, dass ich ungeduldig werde und gerne schneller vorangehen würde. Gleichzeit ist mir sehr bewusst, dass unsere Arbeit grosse Auswirkungen hat. Was der ANQ vorgibt, müssen alle Spitäler und Kliniken in der Schweiz umsetzen. Das ist eine grosse Verantwortung. Deshalb ist es richtig, dass sich alle Beteiligten die Zeit nehmen, die es für gute Entscheidungen braucht.
Josef Müller: Welches Thema hat dich in den letzten 15 Jahren denn am meisten Nerven gekostet?
Petra Busch: Da muss ich nicht lange überlegen: das revidierte KVG – respektive die Frage, welche Rolle der ANQ in Zusammenhang mit dem stationären Qualitätsvertrag der Verbände der Leistungserbringer und der Verbände der Versicherer spielt. Es gab hier ganz unterschiedliche Ansätze, die zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurden. Das war für alle Beteiligten anspruchsvoll. Aber auch hier waren Kompromisse möglich. Für den ANQ ist vor allem auch zentral, dass die Messungen als Kernkompetenz klar bestätigt wurden.
Seit 2009 gab es immer wieder fordernde Momente. Ein Beispiel: In den Jahren 2017 bis 2018 war die finanzielle Lage des ANQ angespannt. Der Ausgabenüberschuss entstand, weil wir bei gleichbleibenden Finanzierungsquellen immer mehr Leistungen erbrachten. In der Folge mussten wir per 2018 gewisse Leistungen kürzen oder kostenpflichtig anbieten. Das war nicht einfach. Dank gezielter Massnahmen erholten sich unsere Finanzen aber schnell.
Josef Müller: Und auf welche Momente blickst du besonders gerne zurück?
Petra Busch: Für mich sticht ganz klar die Gründung des ANQ im Jahr 2009 heraus. Diese erfolgte nicht, weil ein Gesetz sie vorschrieb – sondern weil Kostenträger und Leistungserbringer überzeugt waren, dass sie mit vereinten Kräften mehr erreichen. Nach zweijähriger Vorarbeit folgte dann das nächste Highlight, der Nationale Qualitätsvertrag ANQ. Mit dieser Pionierleistung schufen die ANQ-Partner die Basis für alles, was wir bis heute tun. Was ich auch immer wieder als Highlight empfinde: den Support der Gremien und Partner und die Zusammenarbeit mit meinem Team. Wir sind heute sehr gut aufgestellt und bereit für die Zukunft!
Josef Müller: Dazu gehört auch, dass wir im ANQ-Vorstand Ende 2023 in verschiedenen Dossiers wichtige Weichen stellen konnten. Die Verhandlungen waren zum Teil sehr intensiv, umso wertvoller sind die guten Lösungen. Zudem beantragten wir den Partnern des Nationalen Qualitätsvertrags ANQ 2011, zwei neue Vertragsanhänge zu genehmigen. Der eine klärt die Rahmenbedingungen zur Finanzierung der künftigen Leistungen im Bereich Qualitätsverbesserung. Der andere regelt die Nutzung von Daten des BFS und ebnet gleichzeitig den Weg für die Verwendung von Routinedaten im Rahmen der Messungen.
Petra Busch: Im laufenden Jahr warten ja diverse weitere wegweisende Projekte auf uns. Ich denke da zum Beispiel an die Weiterentwicklungen der Messungen Patientenzufriedenheit und Sturz und Dekubitus sowie an die vermehrte Nutzung von klinischen Routinedaten. Ich denke aber auch an die Schlüsse aus den Pilotprojekten im spital- und klinikambulanten Bereich – und an die neu hinzukommenden Aufgaben.
Josef Müller: Ja, 2024 wird sich klären, welche ausgewählten neuen Aufgaben der ANQ für die Partner der KVG-Qualitätsverträge im Bereich Qualitätsverbesserung übernehmen wird. Auch dieser Entscheid muss von allen ANQ-Mitgliedern mitgetragen werden – von Leistungserbringern, Versicherern und Kantonen. Ich bin sicher, dass wir gute Beschlüsse fällen werden, die auch im Einklang mit unserer Strategie sind. Diese positioniert den ANQ als nationales Kompetenzzentrum für Qualitätsmessungen und -verbesserungen. Mit anderen Worten: Wir haben noch viel vor! Ich freue mich auf die anstehenden Aufgaben und auf die Zusammenarbeit mit Vorstand, Mitgliedern, Partnern – und mit dir und deinem Team!
Josef Müller und Dr. Petra Busch führten dieses Gespräch am 1. Februar 2024 anlässlich des ANQ-Jubiläumsapéros im Kongresszentrum BERNEXPO in Bern.
Bilder: © Tanja Lander / ANQ