Frank Köhler
Fasten – ein Thema nur für die ganz Harten und die Superfrommen? Und für die breite Masse der normalsterblichen Christen ist es kein Thema? Oder doch? Wir müssen darüber reden. Denn auch die Bibel spricht übers Fasten.
Neue Faszination durch Verzicht
Ich erinnere mich noch gut an die kribbelnde Vorfreude. Schon als Kind liebte ich Musik, aber damals besass ich noch keinen Walkman – jenes tragbare Abspielgerät für Musikkassetten, das man mit Kopfhörern nutzte. Also kam ich nach den zweiwöchigen Ferien mit meinen Eltern zurück und legte voller Genuss eine LP (Langspielplatte) auf die Stereoanlage und kostete nach dieser langen Zeit wieder einmal meine Lieblingsmusik aus. Die lange Musik-Abstinenz war eine Art «Fasten» – und die Auswirkungen waren grandios. Durch den Verzicht entstand eine frische Faszination für Musik, die ich eigentlich in- und auswendig kannte.
Inmitten der Hektik des modernen Lebens, der ständigen Verfügbarkeit von vielen Dingen und des Überflusses an Nahrung scheinen wir immer weniger von den wohltuenden Auswirkungen der geistlichen Übung des Fastens zu wissen.
Nicht essen, um sich auf Gott zu fokussieren
In der Bibel finden wir von Mose über David bis hin zu Jesus selbst zahlreiche Beispiele von Menschen, die sich dem Fasten hingaben, um ihre Verbindung zu Gott zu vertiefen, um Weisung zu erhalten, um Vergebung zu erbitten und um geistliche Durchbrüche zu erleben.
Es gibt verschiedene Arten von Fasten. Zum Beispiel ein Teilfasten, bei dem nur bestimmte Speisen gemieden werden (vgl. dazu Daniel 1,8–15). Oder der lohnende Verzicht, bei dem manchmal nicht auf Schokolade, sondern auf das Fernsehen oder die Zeitung verzichtet wird. Das wird hier nicht das Thema sein. Auch nicht das Gesundheitsfasten, das ebenfalls wert- und sinnvoll sein kann.
Fasten bedeutete zu biblischen Zeiten, komplett auf feste Nahrung zu verzichten, aber ausreichend Wasser zu trinken. Heutzutage werden in Fastenwochen zusätzlich Tee, fettfreie Bouillons, Gemüse- und Fruchtsäfte getrunken. Grundsätzlich können alle erwachsenen Menschen fasten. Ausgenommen sind Schwangere und Menschen, die Medikamente einnehmen müssen. Vor dem Fasten sollte mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, ob ein Nahrungsentzug möglich ist oder nicht. Menschen mit niedrigem Blutdruck fühlen sich während der Fastentage oft kraftlos.
Grundsätzlich können alle erwachsenen Menschen fasten.
Gottes Reden besser wahrnehmen
Wer hat das nicht schon selbst erlebt: Nach einem feinen und deftigen Mittagessen mit einem süssen Dessert ist man so richtig müde und schlapp. Beim Fasten tritt das Umgekehrte ein: Nach ungefähr drei Tagen hört der Magen auf zu arbeiten und man hat kein Hungergefühl mehr. Die erste Müdigkeit ist verflogen und man ist aufnahmefähiger, aufmerksamer und wacher. Zudem gewinnt man Zeit, weil man nicht kochen muss. Genau das hilft, sich Zeit für Jesus, die Bibel und das Gebet zu nehmen. Man wird offen für das Reden Gottes durch die Bibel und den Heiligen Geist. So kann Gott in dieser Zeit auch durch den Austausch mit einer Freundin oder einem Freund in eine konkrete Situation hinein sprechen.
Man wird offen für das Reden Gottes durch die Bibel und den Heiligen Geist.
Als Christen folgen wir Jesus nach und sollen Ihm ähnlicher werden (vgl. Römer 8,29). Wie ist Jesus mit dem Fasten umgegangen? Was hat Er dazu gesagt? Bevor Sein öffentlicher Dienst begann, liess Er sich taufen und fastete anschliessend 40 Tage. Da kam der Teufel und versuchte, den Sohn Gottes zu einer Sünde zu verführen. Aber Jesus widerstand den Verlockungen und vertraute von ganzem Herzen Seinem Vater im Himmel: Der Mensch braucht mehr zum Leben als nur die Nahrung – er lebt vor allem von den Zusagen, die Gott ihm gibt (Matthäus 3,13–4,11). Zudem war für Jesus klar, dass Seine Jünger auch fasten werden. Nicht solange Er selbst, der Bräutigam, bei ihnen ist, sondern später, wenn Jesus zu Seinem Vater in den Himmel zurückgegangen ist (Matthäus 9,15).
Aber Jesus widerstand den Verlockungen und vertraute von ganzem Herzen Seinem Vater im Himmel.
Fasten wieder neu entdecken
Und genau das haben die Christen dann auch gemacht: In der Gemeinde in Antiochia (im Süden der heutigen Türkei am Mittelmeer) fand ein Fasten- und Gebetstreffen statt, bei dem der Heilige Geist die Anweisung gab, Barnabas und Paulus auf eine Missionsreise zu senden. Die Verantwortlichen gehorchten dieser Aufforderung und liessen die beiden ziehen, nach einem nochmaligen Fasten, unter Handauflegung und mit Gebeten (Apostelgeschichte 13,1–3).
Für uns heute stellt sich die Frage: Weshalb kann das biblische Fasten nicht wieder so normal werden wie andere Ausdrucksformen unseres Christseins? Wie das Bibellesen, das Gebet oder das Zurückziehen in die Stille? Ist nicht das Fasten genauso eine geistliche Übung wie andere auch?
Was du konkret tun kannst
Was ist für dich dran? Vielleicht im Internet oder mit einer Konkordanz alle Stellen in der Bibel nachlesen, wo die Begriffe «Fasten/fasten» vorkommen. Lies ein Buch zum Thema Fasten oder den entsprechenden Artikel in einem Bibellexikon. Überlege, ob du in deinem Alltag Fastentage einplanen kannst und willst. Oder wie wäre es, wenn du dich für die Gebets- und Fastenwoche der VFMG im Hotel Hari in Adelboden anmeldest (26. Oktober bis 2. November 2024)? Es ist viel einfacher, abseits des eigenen Kühlschranks und in der Gemeinschaft mit anderen die Fastenzeit zu feiern. Berührend ist jeweils, am Abschlussabend der Woche zu vernehmen, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer Gebetserhörungen und Gottes Zuwendung erfahren haben.
Auch du kannst erleben: Auf einen grossen Verzicht folgt ein grosser Gewinn! Es ist wie bei mir als Kind, als ich nach den Ferien meine geliebte Musik wieder hatte: Die besten «Gschwellti» (Pellkartoffeln) des Jahres gibt es jeweils nach der Fastenwoche, wenn man wieder mit dem Essen anfängt. Garantiert!
Auf einen grossen Verzicht folgt ein grosser Gewinn!