Geschrieben und fotografiert von Stefan Volkamer
Der gebürtige Hürther Markus Vosen – Hürth ist eine mittelgroße Stadt im Rhein-Erft-Kreis und gehört zum Regierungsbezirk Köln – hat viel von dem, was typisch für einen Kölsch-Hürther Jung ist. Er ist tolerant, aufgeschlossen und ausgesprochen gesellig, mit Rievkooche, Blodwoosch und Flönz ist er groß geworden, er spricht den einzigen Dialekt, den man auch trinken kann, er weiß, dass jeder Jeck anders ist, und er würde beim Köbes niemals Wasser bestellen. Der Junge aus dem Rheinischen Braunkohlerevier, dem größten seiner Art Europas, zählt heute zu den angesagtesten Gastronomen Detmolds und betreibt gemeinsam mit seiner Frau und Geschäftspartner Burak Dagdelen die Kultkneipe „Café Mix“ und das direkt gegenüberliegende „Krispy Kebab“, wo es den originalen Berliner Döner gibt.
Flip-Flops und Krawatte - der "kneipende" Jurist hat zwei Gesichter
Der gertenschlanke Mitfünfziger mit Kurzhaarschnitt ist leicht zu erkennen, denn er trägt am liebsten bequeme Flip-Flops an den Füßen. In seiner Kultkneipe im Herzens Detmolds ebenso wie in seinem Büro. Büro? Ja, Büro, denn Markus Vosen ist nicht nur das Gesicht des Café Mix, er ist auch studierter Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Pachtrecht, Grundstücksrecht, Wohnungseigentumsrecht, Maklerrecht, Mietrecht und Wettbewerbsrecht. Ein „kneipender“ Jurist, der von seinem lässigen Kneipen-Schlabber-Outfit immer wieder mal in den korrekten Anzug eines Anwaltes schlüpft. „Aber nur, wenn ich mich mit Mandanten treffe oder einen Gerichtstermin wahrnehmen muss“, gesteht er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Seine geliebten, fußwarmen Flip-Flops bleiben in solchen Fällen im Schrank. Anzug, Krawatte und Schnürschuh sind das zweite Gesicht des Markus Vosen.
De Kölsche Jung us Hürth
Angedacht war das aber so nicht, und auch Ostwestfalen-Lippe stand nicht auf seinem Lebensplan. Sein Elternhaus in Hürth „stand ein wenig abseits vom Schuss“, erinnert sich Markus. „Und nachdem ich mit der Grundschule fertig war und auf das Gymnasium gehen sollte, wollte ich unbedingt aufs Internat nach Bad Münstereifel. Nicht weit von Hürth entfernt. Ich wollte einfach mehr Leben und Trubel um mich herumhaben, bei uns zuhause wurde es mir mit zunehmendem Alter − und dann noch als Einzelkind − doch etwas zu ruhig. Meine Eltern haben mir diesen Wunsch zu meiner großen Freude erfüllt und so konnte ich meine gymnasiale Zeit im Internat verbringen. Nur an den Wochenenden war ich bei meinen Eltern, und in den Schulferien natürlich auch. Meine Internatszeit war herrlich, wir hatten viel Spaß miteinander, mussten aber auch ordentlich pauken und pauken. Geschenkt wurde uns nichts.“ Nach dem Abitur ging es für Markus zwei Jahre zur Bundeswehr, stationiert im nahen Köln. „Ich habe dort viel für mein Leben gelernt. Kameradschaftsgeist, Fleiß, Disziplin und Achtung vor seinen Mitmenschen. Das sind wesentliche Charaktereigenschaften, die mich bis heute prägen und meinen weiteren Lebensweg bestimmt haben“, meint er. Während seine Groß- und Urgroßeltern in Hürth noch eine echte Kölsche Kneipe geführt haben, waren seine Eltern in der Immobilienbranche tätig. „Sie verwalteten Immobilienbestände im Großraum Köln und so kam ich schon ziemlich früh mit dieser Branche in Berührung. Irgendwann zu meiner Bundeswehrzeit viel dann die Entscheidung, Jura zu studieren mit Schwerpunkt Immobilienrecht.“ Die Vergabe von Studienplätzen für den Fachbereich Jura erfolgte damals nicht nach dem Numerus Clausus. Studienplätze wurden von der ZVS, der zentralen Vergabestelle für Studienplätze, vergeben. „Ich hatte zwar ein bomben Abitur, aber da ich keine Sozialpunkte, wie etwa pflegebedürftige Eltern anführen konnte, schickte mich die ZVS zum Studium nach Bielefeld.
Studium in „Puddingtown“
„Ich kannte diese Stadt nicht sonderlich, außer vielleicht als Sitz der Oetker-Gruppe. Den besten Ruf hatte Bielefeld unter angehenden Juristen nicht. Aber ich hatte keine Wahl. Die Stadt empfand ich nicht als prickelnd und im Vergleich zum pulsierenden und lebhaften Köln eher langweilig. Aber die Universität hatte einen entscheidenden Vorteil: In den Seminaren saßen relativ wenige Studenten und so konnte man hier gut lernen, arbeiten und zügig vorankommen. Im 7. Semester habe ich mein Examen schreiben können, ich war also sehr früh mit allem fertig.“ Während seiner Studienzeit hat Markus an drei Tagen der Woche in einer renommierten Detmolder Anwaltskanzlei praktiziert. In der gleichen Kanzlei hat er später auch als Referendar und Anwalt eine Anstellung gefunden. 16 Jahre davon als Mitgesellschafter und Partner. „Es war eine typische Anwaltskarriere, zu deren Beginn ich auch meine heutige Frau kennengelernt habe. Im Urlaub. Sie arbeitete als Physiotherapeutin in Lemgo, erst als Angestellte, später machte sie sich dort selbstständig.“
Irgendwann begann der Gedanke in ihm zu reifen, aus der Kanzlei auszusteigen, um sich als Einzelanwalt für Immobilienrecht niederzulassen. Seine Frau Anja überlegte zeitgleich, ihre Praxis nach Detmold zu verlegen. Und so kam es dann auch. Dem Gedanken folgte die Tat, heute unterhalten beide ihre Praxis-Räume in demselben Gebäude in der Bielefelder Straße.
Corona-Tests im Lockdown
Der Corona-Lockdown vom März 2020 veränderte die Situation und das Leben von Markus und seiner Frau Anja, wie auch das vieler anderer Detmolder. Der Lockdown war mit zahlreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben verbunden. Es wurde zwar keine allgemeine Ausgangssperre verhängt, aber es bestand ein Kontaktverbot. Für eine Anwaltskanzlei mit nur wenigen direkten Mandantenkontakten ein Übel, für eine physiotherapeutische Praxis eine Katastrophe. Aber aus der vermeintlichen Katastrophe haben Markus und seine Frau einen Weg herausgefunden. Anjas Praxis erhielt die Zulassung, Corona-Tests durchführen zu dürfen. „Die Praxis meiner Frau war dicht. Aber durch die Zulassung, Tests durchführen zu dürfen, sind wir dem Schlimmsten entgangen. Die Praxis meiner Frau wurde binnen kurzer Zeit eine von diversen Teststationen in Detmold. Die Bedingungen und Voraussetzungen dafür konnte sie ihrer Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung wegen erfüllen. Das hat erheblich dazu beigetragen, die wirtschaftlich negativen Folgen halbwegs glimpflich abfedern zu können, denn die monatlichen Kosten liefen ja weiter“, so Markus. „Und die großzügige Corona-Hilfe des Staates konnte nicht jeden Verlust ausgleichen.“
Burak – der Sportsmann und Partner
Corona wegen musste auch ein bekanntes Fitness-Studio in Asemissen, ein Ortsteil von Leopoldshöhe, vorübergehend schließen. Betroffen davon waren alle Mitarbeiter. Unter ihnen befand sich auch Burak Dagdelen, ein durchtrainierter junger Mann Ende dreißig türkischer Herkunft, in Detmold geboren und aufgewachsen. Burak, der zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren das Studio in Asemissen leitete, ist ein ehemaliger, semi-professioneller Fußballer, der für die Jugendmannschaft des Arminia Bielefeld, für die Amateure des SC Paderborn und in der Oberliga für die Union Solingen gespielt hat – bevor er an der Universität Köln Sport studiert und dieses anspruchsvolle Studium mit dem Bachelor erfolgreich abgeschlossen hat. Nach seinem Studium in Köln hat er über sechs Jahre in Berlin gearbeitet. In einem Sportstudio als Trainer und später als Trainingsleiter, danach als lizensierter, selbstständiger Personaltrainer. In dem komplett neu umgebauten Studio in Asemissen hatte er seine neue berufliche Heimat und Herausforderung gefunden. „Wir haben uns damals komplett neu aufgestellt. Alles Alte raus. Alles Neue rein. Meine Aufgabe als Studioleiter war klar definiert: Training top, Kundenzufriedenheit top, neue Mitglieder. Es waren zwei spannende und aufregende, anstrengende, aber auch erfüllende Jahre. Als wir dann 1.000 aktive Mitglieder hatten, machte sich bei mir – wie damals auch bei Markus – der Wunsch nach einer Veränderung breit.“ Der Betreiber des Studios und Markus Vosen kannten sich. Nachdem das Studio wegen Corona vorerst schließen musste, kam die Frage auf, wie und ob man freigestellte Mitarbeiter des Fitness-Clubs ggfls. andersseitig unterbringen konnte. Diese Frage betraf auch Burak, den Studioleiter. „Wir konnten Burak und weitere Mitarbeiter des Studios als Testhelfer übernehmen. Sie haben Schulungen absolviert und waren nach relativ kurzer Zeit einsatzbereit“, erinnert sich Markus. „So haben wir zwei uns kennengelernt. Corona hat uns zusammengebracht.“ Nach dem Lockdown konnte Burak seine Arbeit im Studio wieder aufnehmen, an den Wochenenden aber hat er dennoch weiter Tests für Markus und seine Frau durchgeführt. „Ich wollte unbedingt helfen. Den vielen beunruhigten Menschen und Markus und seiner Frau. Und das habe ich dann auch, bis die Verordnung zu den Corona-Test ausgelaufen ist“, meint er.
Auf den Kebab gekommen
Burak liebt Kebab, das wusste auch Anwalt Markus. Burak kennt Kebab. Kebab ist Teil seiner türkischen Kultur. Aber Kebab ist nicht Kebab. Das sich drehende Grillfleisch aus mit Marinade gewürzten Fleischscheiben, die schichtweise auf einen senkrecht stehenden Drehspieß gesteckt und seitlich gegrillt werden, beherrscht nicht jeder. „Die Qualität des Fleisches, der Zutaten und der Soße sind das Besondere am Kebab“, so Burak,“ und keiner beherrscht das so gut wie Krispy Kebab.“
Für Markus stand eines fest. Burak muss ein Irrer sein, im positiven Sinn. Denn er fährt immer wieder von Detmold nach Bielefeld, um sich regelm��ßig seinen Kebab zu gönnen. Diesen speziellen Krispy Kebab. Und so kommt, was kommen musste. Burak und der Inhaber der Franchise organisierten Kebab-Kette lernen sich zufällig kennen – und schätzen. Der Eine kann es einfach, der Andere genießt es für sein Leben gern. Die Idee war geboren. Von der Idee, eine Dependance von Krispy Kebab in Detmold zu eröffnen, ließen sich Markus und seine Frau sofort anstecken. Nach Prüfung der wirtschaftlichen Aspekte und der Wettbewerbssituation stand der Entschluss schnell fest. „Wir drei gründen eine Gastro-Gesellschaft und steigen in das Kebab-Geschäft ein. Ein Jurist. Ein Sportler. Eine Physiotherapeutin. Das kann nur gut gehen“, erinnert sich Anwalt Vosen. Ein verschmitztes Lächeln konnte er sich dabei nicht verkneifen. Während sich Markus um die geschäftlichen Aspekte und um die Suche nach einem entsprechenden Lokal macht, ging Burak in die harte Kebab-Schule. „Wenn du lernen möchtest, wie man es macht, dann nehme ich dich ran wie meinen Sohn. Hart, streng, aber lehrreich. Wenn du das überstehst, dann kannst du Kebab“, erinnert sich Burak an die Worte des damaligen Chefs und Inhabers, dessen Sohn Sergen Kolcu heute die Geschicke der kleinen Franchise-Kette führt. Seit dem 20. April 2023 hat Detmold einen Kult-Kebab und Burak, Markus und hin und wieder auch Anja haben jede Menge Arbeit und viele begeisterte Gäste, die sich vor allem in der Mittagszeit und am Abend an den Innen- und Außenplätzen von originalem Berliner Kebab verwöhnen lassen.
Das Café Mix − wie die Kölsch-Kneipe der Großeltern
Guten Kontakt hatten Markus und Burak mit Aydin und Ayse Bas, die langjährigen Betreiber des direkt gegenüber liegenden „Café Mix“, die bekannte Kultkneipe. Nach 23 Jahren entschieden sich Aydin und Ayse Bas, ihre gemütlich-urige Kneipe mit großer Theke, Tischen, Stühlen und zwei Billard-Tischen in neue Hände zu geben. „Das Café Mix hat mich immer schon von seiner Atmosphäre her an die Kölsch Kneipe meiner Großeltern und Urgroßeltern erinnert. Und so haben Burak, meine Frau Anja und ich hin und her überlegt, diese Bier-Kneipe eventuell weiterzuführen, und zwar genau so, wie sie war und nach wie vor ist. Wir haben schon einige Nächte darüber gegrübelt, aber letzten Endes fiel unsere Entscheidung einstimmig. Wir machen das und übernehmen auch zum Wohl der Gäste das angestammte Personal“, so Markus. Auch die Live-Übertragung von Fußballspielen der Bundesliga, Champions League und der Europa League bleibt unverändert. Anwalt, Kebab und Bier-Kneipe. Das zweite Gesicht des Markus Vosen zeigte zunehmend mehr Kontur. Gibt es besondere Pläne für das Café Mix? „Grundsätzlich“, meint Markus, „werden wir die Kneipe so lassen, wie sie ist. Gemütlicher kann man sie kaum machen. Allerdings planen wir mittelfristig, den Küchenraum in einen Darts-Raum umzufunktionieren, zumal wir das Essen für unsere Gäste ohnehin aus dem Krispy Kebab holen.“ Im Café Mix kann man dann nicht nur Darts spielen und trainieren, auch Darts-Turniere sind geplant. „Das wird bestimmt eine super Sache“, ist Burak überzeugt, „und darauf freuen wir uns alle jetzt schon. Bier, Billard und Darts und dazu auf Wunsch den besten Kebab der Stadt.“
Bleibt da noch Zeit für seine anwaltliche Tätigkeit? „Mein Einstieg in die Gastronomie hat am Anfang ehrlich gesagt mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich erwartet habe. Ich wurde schon mit vielen Dingen konfrontiert, von denen ich keinen blassen Schimmer hatte, auch wenn ich als Anwalt durchaus schon gastronomische Projekte betreut habe. Aber die Praxis stellt einen anfänglich immer wieder vor neue Herausforderungen und Fragestellungen. Aber mit der Zeit lernt man dazu, und selbst wenn ich heute zwei halbe Tage in der Woche hier fix mitarbeite und jeden Morgen um 6.30 Uhr auftauche − zwei Drittel meiner Zeit verbringe ich inzwischen wieder in meiner Anwaltskanzlei. Das ist und bleibt nun mal mein Hauptberuf und der macht mir nach wie vor viel Spaß. Unsere beiden Lokale sind eine andere Welt, aber auch diese Seite erfüllt mich mit viel Freude und ist eine willkommene Abwechslung zu der doch recht trockenen Juristerei“, gibt Markus zu. Alles richtig gemacht? „Ja“, sagt er aus tiefer Überzeugung. „Das passt einfach alles zu einem geselligen Kölsche Jung, und neben meiner Frau habe ich mit Burak an meiner Seite einen tollen, engagierten und zuverlässigen Partner, der auch noch das beste Kebab der Stadt macht. Ja, wir drei haben alles richtig gemacht.“ Et löppt, sagt der Kölner.