ANQ-Mitglieder im Porträt
Kathrin Huber: Als gesundheitspolitisches Koordinationsorgan hat die GDK vielfältige Aufgaben. Welche Themen standen 2023 im Fokus?
Nach der Covid-19-Pandemie, die drei Jahre lang sehr viele Kräfte gebunden hat, standen wieder vermehrt andere Themen im Vordergrund. Ein Schwerpunkt war die Umsetzung der Pflegeinitiative, in die wir eng eingebunden sind. Zusätzlich haben uns wichtige Reformen beschäftigt, die im Parlament behandelt wurden. Dazu gehörte nicht zuletzt die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen EFAS. Zudem wollen die Kantone zusammen mit dem Bund die digitale Transformation im Gesundheitswesen vorantreiben. Die Pandemie hat den digitalen Handlungsbedarf aufgezeigt. Gleichzeitig machte der damalige Stresstest deutlich: Die Schweiz hat ein hervorragendes Gesundheitssystem, auf das Verlass ist. Das ist nicht selbstverständlich. Jetzt müssen wir schauen, dass das System finanzierbar und die Versorgungsqualität hoch bleibt.
Was braucht es für eine hohe Qualität? Welche Schwerpunkte setzt die GDK in diesem Bereich?
Die Kantone sind verantwortlich für die Gesundheitsversorgung – und damit auch mitverantwortlich für die Sicherung und Verbesserung der Qualität. Diese Verantwortung nehmen sie im Rahmen der allgemeinen Aufsichtstätigkeit wahr, aber auch bei der Spitalplanung, bei der Zulassung von Leistungserbringern und bei der Planung der hochspezialisierten Medizin. Die GDK beurteilte 2020 in einem Positionspapier verschiedene Qualitätsthemen und zeigte die Prioritäten aus der Sicht der Kantone auf. Weiter bringt sich die GDK in die Umsetzung der KVG-Qualitätsvorlage «Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» ein. Die Kantone finanzieren ein Drittel der Ausgaben der Eidgenössischen Qualitätskommission und beteiligen sich so massgeblich an Projekten und Aktivitäten zur Qualitätsentwicklung in der Schweiz.
Sie sehen – wir sind in vielen Bereichen nicht direkt involviert, aber doch stark betroffen. Das macht die Arbeit zuweilen sehr anspruchsvoll. Das Thema Qualität hat auf jeden Fall an Gewicht gewonnen. Im Schweizer Gesundheitswesen ist die Qualität zwar grundsätzlich gut, Verbesserungen sind aber möglich und auch notwendig. Deshalb setzen wir uns als GDK dafür ein, dass die Instrumente der Qualitätsvorlage künftig noch mehr Wirkung entfalten. Die beabsichtigten Verbesserungen müssen sichtbar werden und den Patientinnen und Patienten nützen. Dafür braucht es praxistaugliche Tools, die gut adaptierbar sind und von den ohnehin schon stark geforderten Fachpersonen einfach eingesetzt werden können.
Zu den Instrumenten der Qualitätsvorlage gehören auch die Qualitätsverträge. Inwiefern sind die Kantone davon tangiert?
Das Gesetz schreibt den Kantonen in Bezug auf die Qualitätsverträge zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und den Verbänden der Versicherer keine direkte Rolle zu. Es zeigt sich jedoch, dass eine gewisse Abstimmung der Aufgaben sehr zweckmässig ist – dies vor allem im Hinblick auf die spätere Umsetzung der Verträge. Die Koordination ist wichtig, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Im Spitalbereich kann sich die GDK über den ANQ in die Diskussionen zur Umsetzung des Qualitätsvertrags einbringen. In den anderen Versorgungsbereichen werden wir von den Vertragspartnern eher punktuell kontaktiert. Da die Praxis zur Prüfung der Qualitätsanforderungen in den einzelnen Kantonen zum Teil unterschiedlich ist, können wir uns als GDK zuweilen nur schwer dazu äussern. Unsere Aufgabe besteht dann vor allem darin, den Informationsfluss zwischen Kantonen und Vertragspartnern zu fördern. Das Ziel ist, dass die verschiedenen Aktivitäten gut ineinandergreifen.
Die GDK ist seit Beginn Mitglied und Träger des ANQ. Was bringt diese Mitgliedschaft den Kantonen?
Die GDK hat sich schon bei der Gründung des ANQ stark dafür eingesetzt, dass sich alle Kantone dem Verein anschliessen. Ich erinnere mich gut an diese Zeit, weil ich damals für das Dossier zuständig war und das Telefon zuweilen heiss lief. Als ANQ-Mitglieder sind die Kantone mit drei Personen im Vorstand vertreten und können so die Leistungen des ANQ mitbestimmen. Die Kantone können auch über die Mitgliederversammlung mitgestalten. Diese Mitsprache sorgte von Anfang an für ein «Kräftegleichgewicht» und stellte sicher, dass die Bedürfnisse der Kantone angemessen berücksichtigt werden. Der Austausch zwischen GDK, Kantonen und ANQ ist auch heute noch sehr eng. So nimmt der ANQ beispielsweise regelmässig an den Sitzungen der GDK-Begleitgruppe «Qualitätssicherung im Spital» teil, wo die Kantone ihre Anliegen und Vorstellungen gegenüber dem ANQ platzieren können.
Dank der Mitgliedschaft erhalten die Kantone eine Grundlage für ihre Planung. Der ANQ garantiert von den Kantonen und den Tarifpartnern mitgetragene, unabhängige Messungen. Diese liefern die einzigen über die gesamte Schweiz vergleichbaren und transparent veröffentlichten Messdaten, auf die sich auch die Kantone stützen können. Die Kantone begrüssen es sehr, dass der ANQ stark in die Aufbereitung der Messergebnisse investiert hat. Die Kommunikation ist nach wie vor wissenschaftlich fundiert, für ein interessiertes Publikum aber einfacher verständlich. Die bessere Nachvollziehbarkeit hat sich auch auf das Medienecho ausgewirkt – die Berichterstattung ist deutlich sachlicher geworden.
Wie sollten sich die ANQ-Messungen weiterentwickeln, damit sie den Kantonen auch in Zukunft einen möglichst grossen Nutzen bringen?
Die Kantone wollen ihre Planungs- und Aufsichtstätigkeiten im stationären Bereich weiterhin auf national vergleichbare Qualitätsmessungen abstützen. Ein wichtiger Vorteil der ANQ-Messungen liegt darin, dass sehr gute Längsvergleiche möglich sind, weil über mehrere Jahre die gleichen Indikatoren erhoben werden. Gerade für die Spitalplanung ist es wichtig, auch die Entwicklung der Leistungserbringer zu betrachten. Aus diesem Grund sind wir zurückhaltend, wenn es um grundlegende Anpassungen des bisherigen Messplans geht. Wir plädieren eher für die Optimierung von bisherigen Messungen. Der eingeschlagene Weg zur Weiterentwicklung von spitalambulanten Messungen und zur vermehrten Nutzung von Routinedaten geht aus unserer Sicht jedoch in die richtige Richtung und sollte weiterverfolgt werden. Zentral ist, dass die Messungen weiterhin aussagekräftige Informationen liefern, die den Spitälern als Basis für Verbesserungsmassnahmen dienen und für die Kantone relevant sind.
Was für die Kantone absolut zentral ist: Wird der ANQ künftig mit der Umsetzung gewisser Elemente aus dem stationären Qualitätsvertrag beauftragt, müssen die bisherigen Leistungen im Bereich «Messen» und die neuen Leistungen im Bereich «Verbessern» sinnvoll koordiniert sein. Gegen zu starke Abstriche bei den Messungen würden sich die Kantone wehren. Neben den technischen beziehungsweise konzeptionellen Abstimmungen sehen die Kantone hier insbesondere die Herausforderung, die Finanzmittel des ANQ für beide Bereiche in Einklang zu bringen.
2024 feiert der ANQ sein 15-jähriges Bestehen. Was braucht es, damit der ANQ seine Aufgaben auch in Zukunft erfüllen kann? Was wünschen Sie sich für den ANQ?
Als GDK wünschen wir dem ANQ eine gewisse Stabilität, so langweilig das auch klingen mag. Es ist nicht selbstverständlich, dass Organisationen im Gesundheitswesen so langfristig finanziert sind und so ausgewogen für Kantone, Leistungserbringer und Versicherer arbeiten können, wie das der ANQ bisher tut. Um die Errungenschaften des ANQ nicht zu gefährden, müssen wir zum bewährten Konstrukt Sorge tragen. Dies gilt ganz besonders in Bezug auf die künftigen Zusatzaufgaben in Zusammenhang mit dem Qualitätsvertrag. Der ANQ ist heute so aufgestellt, dass er alle Mitglieder unterstützt, ihre gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Das sollte auch in Zukunft so bleiben. Gleichzeitig braucht es auch Innovationen. Dank seiner Erfahrung kann der ANQ neue Ideen und Ansätze verfolgen, zum Beispiel in Bezug auf die Verwendung von Routinedaten oder das digitale Bereitstellen von Messergebnissen. Nach 15 Jahren hat der ANQ so richtig Fahrt aufgenommen. Jetzt gilt es, diesen Schwung für die Zukunft zu nutzen!
Kathrin Huber, lic. rer. soc., MPH, ist seit 1. Oktober 2023 Generalsekretärin der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK. Die Soziologin mit Weiterbildung in Public Health und Management öffentlicher Institutionen ist seit 2009 bei der GDK tätig, ab 2017 bis zur Übernahme der Leitung war sie stellvertretende Generalsekretärin.
Fotos: © Sandra Stampfli / ANQ