Verena Nold Direktorin Santésuisse

ANQ-Mitglieder im Porträt

Verena Nold: santésuisse setzt sich für die Interessen der Krankenversicherer ein. Welche Themen standen 2023 in der Verbandsarbeit besonders im Fokus?

Die massive Erhöhung der Krankenkassenprämien hat uns 2023 stark beschäftigt. So gehört es zu unseren Aufgaben, in der Öffentlichkeit aufzuzeigen, weshalb die Gesundheitskosten – und in der Folge auch die Prämien – steigen. Unser Gesundheitswesen ist hervorragend. Das hat aber seinen Preis.

Während des ganzen Jahres machten wir auf die Problematik aufmerksam. Zudem erarbeiteten wir anhand einer fundierten Analyse konkrete Lösungsvorschläge, um den Kostenanstieg kurz-, mittel- und langfristig zu bremsen. Auf politischer Ebene fordern wir unter anderem niedrigere Medikamentenpreise. Gerade Generika sind im internationalen Vergleich viel zu teuer. Neben einer Preisanpassung benötigen wir auch einen höheren Anteil an Generika. Damit können wir ohne jegliche Qualitätseinbusse sehr viel Geld einsparen.

Verena Nold und ihre persönliche Mitarbeiterin Eva Maria Spack.

Wie engagieren Sie sich für die Qualität im Gesundheitswesen?

Qualität hat einen hohen Stellenwert für unsere rund 40 Mitglieder und für uns von santésuisse. Im Rahmen der KVG-Reform haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Qualitätsmessungen in der Medizin gestärkt und mit mehr Mitteln gefördert werden. Die beschlossene Gesetzesänderung setzt viel in Bewegung. Qualitätsmessungen sind neu für alle Leistungserbringer Pflicht, die zulasten der obligatorischen Grundversicherung abrechnen.

Qualität ist auch für mich persönlich ein wichtiges Thema. Zu meinen Aufgaben gehört zum Beispiel die Mitarbeit in der Eidgenössischen Qualitätskommission. Diese hat unter anderem den Auftrag, Qualitätskonzepte und Qualitätsentwicklungsprogramme erarbeiten zu lassen und entsprechende Projekte finanziell zu unterstützen. Finanzhilfen können nur gesprochen werden, wenn ein Projekt diverse Kriterien erfüllt. Dabei hat die Patientenzentrierung einen besonderen Stellenwert. Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) und Patient-Reported Experience Measures (PREMs) erhalten immer mehr Gewicht.

Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit dem ANQ und in Bezug auf die ANQ-Messungen speziell wichtig?

Die Qualität einer medizinischen Leistung ist nicht sofort erkennbar. Deshalb braucht es professionelle und verbindliche nationale Messungen, deren Ergebnisse bis auf Spitalebene öffentlich publiziert werden. Der ANQ hat die Messungen im stationären Bereich sukzessive aufgebaut und nimmt auch 15 Jahre nach seiner Gründung eine Vorreiterrolle ein.

santésuisse arbeitet seit jeher im ANQ-Vorstand mit. Das stellt eine enge Verbindung sicher. In Bezug auf die Qualitätserhebungen ist es für uns zentral, dass der ANQ die Behandlungsqualität misst und dass die Messergebnisse so aufbereitet sind, dass sie Verbesserungen in den Spitälern anstossen. Dazu müsste unseres Erachtens auch die Information der Patientinnen und Patienten verstärkt werden: Können diese die Ergebnisse der ANQ-Messungen nachvollziehen, entsteht ein noch grösserer Druck auf die Spitäler und Kliniken, sich stetig zu verbessern.

Wie fliessen die Ergebnisse der ANQ-Messungen in die Arbeit von Ihnen und Ihren Mitgliedern ein?

Bei der Einführung der Fallpauschalen haben wir darauf hingearbeitet, dass die Krankenversicherer ihre Tarife auf das Qualitätslevel eines Spitals abstimmen können. Dafür hätten sich unsere Mitglieder unter anderem auf die ANQ-Messergebnisse gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anwendung unterschiedlicher Tarife jedoch verboten. Begründet wurde dieser Entscheid mit der Aufsichtspflicht der Kantone. Diese nehmen ein Spital nur auf die kantonale Spitalliste auf, wenn es auch den qualitativen Anforderungen genügt.

Die Spitalliste reicht unseres Erachtens als Qualitätsnachweis aber nicht aus. Die Öffentlichkeit soll wissen, welche Spitäler und Kliniken ausgezeichnet sind und mehr als nur die geforderte Qualität bieten. Aus diesem Grund hat santésuisse die Plattform www.spitalfinder.ch aufgebaut. Diese richtet sich an die Patientinnen und Patienten und gibt für jedes Spital eine Übersicht über seine Angebote und Qualitätsdaten. Damit entspricht der Spitalfinder einem Bedürfnis. Trotzdem hoffen wir, dass unsere Plattform einmal überflüssig wird. Dazu müsste der ANQ die Patientinnen und Patienten aber direkter ansprechen und ihnen einen gut verständlichen Zugang zu den Messergebnissen geben. Die auf dem ANQ-Webportal publizierten Daten sind wissenschaftlich exakt, aber für Laien zu komplex.

2024 feiert der ANQ sein 15-jähriges Bestehen. Was braucht es, damit der ANQ seine Aufgaben auch in Zukunft im Interesse aller Mitgliederorganisationen erfüllen kann? Und was wünschen Sie sich für den ANQ?

Für die Zukunft braucht es aus meiner Sicht vor allem gute vertragliche Rahmenbedingungen, damit der ANQ auf dem bestehenden starken Fundament aufbauen kann. Was das Angebot des ANQ betrifft, wünsche ich mir leichter verständliche Informationen für Patientinnen und Patienten. So könnte sich der ANQ als Kompetenzzentrum für Qualität positionieren – nicht nur für Health Professionals, sondern auch für Laien.

«Der ANQ nimmt auch 15 Jahre nach seiner Gründung eine Vorreiterrolle ein.»

Verena Nold wurde 2013 zur Direktorin von santésuisse ernannt. Von 2010 bis 2013 leitete sie die tarifsuisse ag, eine Tochtergesellschaft von santésuisse. Zuvor war sie als stellvertretende Direktorin von santésuisse zuständig für die Abteilung Tarifverhandlungen.

Fotos: © Sandra Stampfli / ANQ