Martin Voegelin
Gottes HeilsGESCHICHTE und unsere persönliche LebensGESCHICHTE ereignen sich im Prozess. Er gestaltet die grosse Geschichte, in die wir uns einklinken, und zugleich unseren ganz persönlichen Weg bewusst gehen können. So wie die Heilsgeschichte der Vollendung zustrebt – auf einen neuen Himmel und eine neue Erde hin – so strebt unser Leben von unserem irdischen Dasein hin zur Ewigkeit. Ich kann die Ewigkeit leugnen, aber das macht ihr keinen Eindruck.
Gottes Heilsgeschichte ist geprägt von verschiedenen Etappen
Gott schafft die gute Schöpfung mit harmonischer Gemeinschaft zwischen Ihm und dem Menschen. Der Mensch zerstört diese Harmonie und verliert seine Heimat bei Gott. Gott lässt den Menschen aber nicht fallen, sondern initiiert ein «Wiederherstellungs-Projekt». Dieses kommt in Jesus Christus zum Ziel : Gemeinschaft mit Gott ist durch den Heiligen Geist wieder möglich ! Und das geschieht mitten in einer noch zerbrochenen Welt ! Ja, durch Jesus Christus ist Gottes Reich «nahe herbeigekommen» (Markus 1,15). Aber es ist hier auf Erden noch nicht vollendet ! Wir leben in Gottes Heilsgeschichte in der Etappe der «Zwischenzeit» – zwischen angebrochenem und vollendetem Reich Gottes. Das «Alles neu» (Offenbarung 21,5) ist noch ausstehend. Und doch ist Reich Gottes, wie als Vorbote der Vollendung, schon heute sichtbar. Nicht durch Strukturen und äussere Macht, jedoch durch das Leben der Nachfolger Jesu (Lukas 17,20 f ; Johannes 8,12 und Matthäus 5,13–16).
Im «Zwischen» in zweierlei Hinsicht
Nicht nur in geschichtlicher (endzeitlicher) Perspektive leben wir im «Zwischen», sondern auch in unserer persönlichen geistlichen Existenz. Wir erleben uns als vollkommen geliebt und angenommen von Gott – und gleichzeitig als Baustelle, als weiterhin unvollkommen Liebende, als im Alltag Scheiternde, als Erlösungsbedürftige. Paulus beschreibt dieses «sowohl als auch» eindrücklich im Römerbrief, Kapitel 7 und 8. Wir leben zwischen Himmel und Erde bzw. in beiden «Welten» (Philipper 3,20 ; Epheser 2,19). Der Heilige Geist ist uns vom Vater hier auf Erden als unmittelbarer Zugang zur Ewigkeit geschenkt ! Wir dürfen «ganz natürlich» in Gottes Gegenwart leben. Diese Natürlichkeit ist aber kein Selbstläufer, weil im Zwischen auch der Satan noch eine gewisse Macht hat ! Es ist immer wieder unsere Entscheidung, wonach wir uns ausrichten wollen : Auf das Sichtbar-Irdische – oder auf das Unsichtbar-Ewige (Kolosser 3,2). Das Unsichtbar-Ewige darf und soll bereits im Sichtbar-Irdischen durchscheinen (Matthäus 5,13–16). Wenn Gottes Liebe in unserem Leben keine wahrnehmbare Gestalt bekommt – wie sollen Menschen an uns die Realität der Erlösungskraft Gottes wahrnehmen können ? Gleichzeitig darf dieses äusserlich Wahrnehmbare weder als «Versicherung» noch als «Beweis» meines Erlöst-Seins dienen. Entscheidend bleibt meine gewollte Abhängigkeit von Gott, meine Hingabe an Ihn, in Höhen wie in Tiefen. Die gelebte Beziehung zu Gott gibt mir die Kraft, in dieser Welt mit Ihm, für Ihn und für andere zu leben. JESUS WILL MIT UNS ZUSAMMENSPIELEN. Er will unser Denken, Fühlen und Handeln durchdringen und durch uns in dieser Welt sichtbar, hörbar, spürbar werden.
Wachsen mit Perspektive
Mit Jesus in dieser Welt «zusammenspielen», das ist ein Lern- und Übungsweg. Eben kein Selbstläufer, weil wir noch im «Zwischen» leben. Als Nachfolger Jesu sind wir einander auch gegeben, um uns gegenseitig zu ermutigen. Durch das Teilen von schönen und schwierigen Erlebnissen, durch das Mittragen von Schwerem und die Ausrichtung auf das unsichtbar Ewige ! Nicht um uns auf den Himmel zu vertrösten, sondern um hier miteinander ein Stück Himmel zu leben. Wo Gott uneingeschränkt HERR in meinem Leben sein darf, ist Himmel : «… Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden» !
Das Geheimnis des Lebens in Fülle
Gebunden an die Erde – ausgestreckt zum Himmel. Das Geniale am angebrochenen Reich Gottes ist der permanente, offene Zugang zum Vater im Himmel ! Nutzen wir ihn – ermutigen wir uns gegenseitig dazu, ihn zu nutzen ! Allein und gemeinsam, in der Vorfreude auf die Vollendung !
«Ein Tag, der sagt dem andern, mein Leben sei ein Wandern zur grossen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht von dieser Zeit.»
Gerhard Tersteegen
Kleine «Rituale» im Alltag –
als Erinnerungs- und Ausrichthilfe. Am Morgen mich Gott bewusst zuwenden, z. B. als Start zur Bibellese :
«Geist des lebendigen Gottes erfrische mich wie Tau am Morgen öffne mich, fülle mich, und sende mich.»
Am Abend ein offener Rückblick auf den Tag mit Gott, evtl. abschliessen mit:
«Alles Gelingen : in Deine Fülle. In Dein Erbarmen : meine Grenzen. Und meine Sehnsucht : in Deinen Frieden. In Deine Hände gebe ich mich.
All meine Freude : in Deine Schönheit. In Deinen Abgrund : meine Klagen. Und meine Hoffnung : in Deine Treue. In Deine Hände gebe ich mich.
All meine Wege : in Deine Weite. In Deinen Schatten : meine Schwachheit. Und meine Fragen : in Dein Geheimnis. In Deine Hände gebe ich mich.»
Stundengebet Burg Dinklage
Zeit VOR und MIT Gott –
in Stille und mit Seinem Wort ! «Bei Dir ist die Quelle allen Lebens, in Deinem Licht sehen wir das Licht» (Psalm 36,10). Auch wenn ich dabei nichts fühle – aushalten lernen, weil ich wissen darf : «Warten auf Gott ist gesegnete Zeit» (Edith Stein). Womit ich meine Zeit verbringe, das prägt mich !
ALLES, was mich betrifft, mit Gott in Verbindung bringen
«Jesus, wie siehst Du das … ? Schenk mir geöffnete, geübte Augen des Herzens, die Dich an immer mehr Orten suchen, erkennen und freudig begrüssen.» Je besser ich das in der Stille vor Gott einübe, desto natürlicher wird die Kontaktaufnahme im alltäglichen Agieren und Reagieren.
In Gemeinschaft leben
Sich gegenseitig ergänzen, hinterfragen, korrigieren, ermutigen lassen. Wir brauchen einander ! «Durch Christus ist der Leib fest zusammengefügt, denn Er verbindet die Körperteile durch die verschiedenen Gelenke miteinander. Jeder einzelne Teil leistet seinen Beitrag. So wächst der Leib und wird aufgebaut durch die Liebe» (Epheser 4,16). Leben in der Zwischenetappe ist meine Gelegenheit, in totaler Abhängigkeit von Gott in die göttliche, ewige Freiheit und Vollendung hineinzuwachsen.