Ein Herz für Israel und das jüdische Volk Ein Interview mit Damian Wessner

Damian Wessner ist kürzlich von einem siebenwöchigen Volontär-Einsatz in Israel heimgekehrt, wo er auf Feldern in der Nähe des Gazastreifens in der Landwirtschaft geholfen hat. Anfang März ist er für weitere drei Monate in das Konfliktgebiet zurückgekehrt. Silas Wohler sprach mit ihm.

Silas Wohler Pastor FEG Dietlikon, silas.wohler@feg-dietlikon.ch

Wie ist es zu diesem Volontär-Einsatz gekommen?

Das grausame Massaker und all die unvorstellbaren Gräueltaten der Hamas-Terroristen und Zivilisten aus dem Gazastreifen am 7. Oktober 2023 und die dadurch entstandene Not in Israel beschäftigten mich sehr. Ich las von der schwierigen Situation in der Landwirtschaft und fühlte mich gedrängt, nach Israel zu reisen. Die allermeisten der rund 30’000 thailändischen Gastarbeiter waren nach Ausbruch des Krieges in ihre Heimat zurückgekehrt. Dies und das Wegfallen arabischer Arbeitskräfte führte zu einem Hilferuf nach Freiwilligen, da sonst ein grosser Teil der Ernte verderben würde.

Wie hat dein Arbeitsalltag ausgesehen?

Fünf der sieben Wochen verbrachte ich im religiösen Moshav Bnei Netzarim in der Negev-Wüste, an der Grenze zu Ägypten und 9 km vom Gazastreifen entfernt. Wir haben von ca. 8 bis 16 Uhr auf den Feldern oder in den Gewächshäusern gearbeitet.

Wie ist es dir dabei ergangen?

Die Zeit in Israel war schlicht überwältigend. Es war gut, dass ich helfen konnte. Aber viel wichtiger sind die Menschen, die Juden, die in Gottes Augen so unendlich kostbar sind. Ich hatte das grosse Privileg, mit jüdischen Volontären aus Israel und der ganzen Welt zusammenzuleben. Es gab viele wertvolle Begegnungen und Gespräche. Sie interessierten sich auch für meinen Glauben und stellten viele Fragen. Es sind wunderbare Freundschaften entstanden.

Gibt es etwas aus den Gesprächen, das dir wichtig geworden ist?

Ich glaube, wir Nichtjuden können uns nicht vorstellen, was der 7. Oktober, das schlimmste Ereignis seit dem Holocaust, in Israel und bei den Juden weltweit ausgelöst hat. An keinem anderen Tag seit dem Zweiten Weltkrieg wurden so viele Juden getötet – und das in dem Land, das ihnen als sichere Heimstätte dienen sollte. Die Juden sind in einem Masse traumatisiert, das wir nur begreifen können, wenn wir uns ihre fast 4000-jährige Leidensgeschichte als Volk Gottes vergegenwärtigen. Sie tragen diese Vergangenheit in sich, sie ist Teil ihrer DNA. Dazu kommt der stark angestiegene Antisemitismus weltweit.

Eines Abends traf ich im Dorfladen einen etwa 75-jährigen Mann. Er fragte mich, was ich hier mache. Ich sagte ihm, dass ich hierhergekommen bin, um als Freiwilliger Israel zu unterstützen. Als er hörte, dass ich Christ bin, konnte er es kaum glauben.

Er hätte gedacht, dass alle Christen gegen die Juden sind. Er hätte noch nie gehört, dass es Christen gibt, die für die Juden sind. Er kenne Christen nur von Verfolgungen und vom Holocaust.
Was für eine Aussage…!

Ja, eine Aussage, die mich betroffen gemacht hat. Christen, Jesus und das Kreuz sind für die Juden gleichbedeutend mit unermesslichem Leiden. Und das seit fast 2000 Jahren. Durch die Hand derer, die sich Christen nannten, wurden in all diesen Jahrhunderten unzählige Juden grausam ermordet, schon vor dem Holocaust. Und danach, im Zweiten Weltkrieg, wurden im christlichen Europa weitere 6 Millionen Juden vernichtet.

Eine wesentliche Ursache für unsere tragische Kirchengeschichte geht in die ersten Jahrhunderte zurück.

Du sprichst wahrscheinlich die Ersatztheologie an?

Ja, sie besagt, dass Gott die Juden als auserwähltes Volk für immer verstossen hat und dass an ihre Stelle die Kirche aus den Nationen als «neues Israel» getreten ist. Der Hauptstrom der Kirche wollte Jesus, den Sohn Gottes, aber nicht Jesus, den Juden. Sie wollte Jesus, aber nicht sein jüdisches Volk. Ein theologischer Irrweg mit verheerenden Folgen für unsere Beziehung zum jüdischen Volk bis in unsere Zeit.

Und dabei hätten wir unendlich viel Grund, dem jüdischen Volk gegenüber dankbar zu sein. Wir sind erlöst durch den jüdischen Messias, wir sind gelehrt durch die jüdischen Propheten und Apostel. Es waren seine jüdischen Apostel und Jünger, die bereit waren ihr Leben zu geben, um uns Heiden die rettende Botschaft Jesu zu bringen.

Du wirst bald nach Israel zurückkehren. Was bewegt dich dazu?

Ich habe erlebt, wie sehr es die Herzen der jüdischen Menschen berührt, dass ich als Nichtjude in dieser Zeit der Not nach Israel komme, um sie zu unterstützen. Es tröstet sie und macht ihnen Mut. Umso mehr, weil sie empfinden, dass die ganze Welt gegen sie ist. Es tut ihnen so gut zu sehen, dass sie auch Freunde in der Welt haben. Sie sind enorm dankbar.

Danke für das ermutigende Interview, Damian!