Ist das AT heute noch gültig? Fragen zur Bibel

Und treffen wir im AT auf einen anderen Gott? Andy Stanleys behauptet in seinem Buch Irresistible: Reclaiming the New that Jesus Unleashed for the World, dass wir uns vom Alten Testament (AT) abkoppeln sollten. Der Alte Bund sei vollständig vorbei. Schon Marcion hat im 2. Jahrhundert dem AT die Gültigkeit aberkannt. Der Gott des AT (> zorniger Gott) sei ein anderer als der im Neuen Testament (NT): > Gott der Liebe.

Stefan Kym, Pfarrer FEG Effretikon, Autor diverser Bücher, www.feg-effretikon.ch/buecher, kym@gmx.ch

Ist das AT heute noch gültig und ist es für uns Christen von Bedeutung?

Christen stehen nicht länger unter dem Alten Bund, sondern unter dem Neuen, der mit Jesu Tod und Auferstehung eingeleitet wurde (Gal 3,15–4,7; Röm 6,14–15; 7,4–6; Hebr 8,1–10,18). Diese Tatsache bedeutet aber nicht, dass das AT nicht länger Gottes Wort ist. Die ganze Schrift, sowohl AT als auch NT, ist letzte Autorität und Gottes irrtumsloses Wort. Im AT finden wir relevante Selbstoffenbarung Gottes und verbindliche Weisungen, die Christen zum Leben dienen. Gott ändert sich nicht (Mal 3,6; Hebr 13,8; Ps 102,27–28). Das Liebesgebot von Jesus, welches das Gesetz und die Propheten zusammenfasst (Mt 22,37–40), wird nicht in einem sentimentalen Gefühl erfüllt, sondern im Halten und Befolgen der biblischen Weisungen des AT und NT (1Joh 5,1–4; 2Joh 4–6). Gott hat seine Weisungen erlassen, weil sie gut sind und dem Leben dienen (Röm 7,12–13). Christen befolgen das Doppelgebot der Liebe nicht, um dadurch gerecht zu werden; sondern weil sie durch den Glauben an Jesus gerecht geworden sind, halten sie die Gebote Gottes aus Liebe.

Warum wir das AT brauchen oder was uns verloren ginge

AT und NT geben uns eine umfassende, ergänzende Selbstoffenbarung Gottes. Streichen wir das AT, erhalten wir ein unvollkommenes und einseitiges Gottesbild. Sowohl im AT als auch im NT sehen wir den heiligen Gott der Liebe und auch den aus Liebe zornigen Gott, der gerecht richtet. Die Gewichtung im AT und NT mag uns unterschiedlich erscheinen. Das kann daran liegen, dass wir die Offenbarung des Johannes eher selten lesen.

Im AT finden wir in vielen Texten Jesus Christus selbst (z.B. «Engel des Herrn»), Prophetien und Bezüge auf ihn. Diese Erkenntnisse würden wir verlieren, wenn wir das AT streichen würden.

Jesus, die Schreiber des NT und die Kirchenväter nehmen alle Bezug auf das AT. Viele Texte im NT beziehen sich auf das AT oder zitieren direkt daraus. Die Offenbarung des Johannes ist voll von Bezügen und Zitaten aus dem AT. Streichen wir das AT, dann würden wir auch Teile des NT streichen und als ungültig erklären, weil das AT für die NT-Schreiber Gültigkeit besass, ja Grundlage war.

Das AT hilft uns, das NT zu verstehen und umgekehrt. Ohne AT ist vieles im NT nicht verständlich. Warum z.B. musste Jesus am Kreuz sterben?

Das AT liefert uns ein historisches Fundament, z.B. Schöpfung, Bundesverständnis, den heilsgeschichtlichen Verlauf mit Israel und den Völkern usw. Diese Schilderungen sind zentral für das Verständnis des christlichen Glaubens. Ohne AT fehlt das historische Fundament.

Das AT setzt wesentliche Leitlinien zum Leben. Viele Texte sollen uns lehren, warnen, trösten und erziehen. Sie zeigen uns Gottes Heiligkeit und Majestät, seine Barmherzigkeit und Liebe, aber auch seinen Zorn und seine Gerichte. Gottes Handeln am Volk Israel ist ein Bild für seinen Umgang mit der Gemeinde. Auch wenn das meiste im NT wiederholt wird, würden wir ohne AT doch das tiefere und umfassendere Verständnis für diese Leitlinien verlieren.

Das AT auslegen und verstehen

Das AT muss in Bezug auf Gottes fortschreitende Offenbarung in seinen Bündnissen verstanden werden, um zu entscheiden, wie wir es heute konkret anwenden können (heilsgeschichtliche Auslegung). Es gilt, die richtigen Prinzipien abzuleiten. Wir sollten darauf achten, dass es bei der Interpretation des AT sowohl Kontinuität als auch Diskontinuität gibt, sowohl Aufhebung (Hebr 8,13) als auch Erfüllung (Mt 5,17–20). Jesus Christus ist die Erfüllung des Gesetzes, aber er hebt es damit nicht auf. Die Speisegebote, Reinheits-, Judizial- und Zeremonialgesetze sind nicht mehr gültig. Die Prinzipien der ethischen Gebote für ein gelingendes Leben aber stimmen in beiden Testamenten überein und behalten ihre Gültigkeit.

Ausserdem kann ein trinitarischer Gott (Vater, Sohn und Heiliger Geist) nicht widersprüchlich sein. Der Gott im AT und NT ist der Gleiche!

Zum Schluss ein Zitat von Prof. Dr. Herbert H. Klement: «Jesus war Alttestamentler ...» (vgl. Lk 23,27).

Danksagung:

Erstellt mit Bildern von Romolo Tavani - "Shining Holy Bible - Ancient Book On Old Table " • Oleksandr - "Bible on an old table. Beautiful background.Religion concept."