Das Interview zum ANQ-Jahresbericht
Präsident Josef Müller und Geschäftsleiterin Dr. Petra Busch
Der ANQ startete mit Q-Day und Jubiläumsapéro schwungvoll ins Jahr. An was erinnern Sie sich besonders gerne, wenn Sie an diese beiden Events denken?
Josef Müller: Am Fachsymposium Q-Day hat mich vor allem die grosse Bereitschaft beeindruckt, organisations-, funktions- und fachübergreifend voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Auch das rege Interesse hat mich sehr gefreut. Wir durften über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Spitälern und Kliniken und aus dem Kreis aller unserer Mitgliederorganisationen begrüssen.
Petra Busch: Faszinierend finde ich am Q-Day, wie sehr die Kompetenz und das vorbildliche Engagement in Qualitätsthemen spürbar wird. Referentinnen und Referenten aus Spitälern und Kliniken, aus der Wissenschaft und seitens Behörden geben transparent Einblick in ihre Arbeit und zeigen in Best-Practice-Beispielen, wie vielfältig die Daten des ANQ für die Qualitätsentwicklung genutzt werden.
Josef Müller: Das ist seit jeher der zentrale Auftrag des ANQ: Die Ergebnisse der Messungen sollen den Institutionen, aber auch den Kantonen und den Versicherern, als Grundlage für ihre Arbeit dienen. Beim Jubiläumsapéro schauten wir zurück, wie sich der ANQ in den letzten 15 Jahren entwickelte, um diesen Auftrag zu erfüllen. Dabei stellten wir das gemeinsame Wirken im Dienst der Qualität in den Vordergrund. Es war schön, so viele «ANQ-Weggefährten» zu diesem Anlass begrüssen zu dürfen.
Petra Busch: Ja, der ANQ ist ein Gemeinschaftswerk. Er lebt von lösungsorientierten Kooperationen und vom Engagement der Expertinnen und Experten in unseren Gremien und Mitgliederorganisationen sowie in den Spitälern und Kliniken. Am Apéro haben wir auf das Erreichte angestossen, insbesondere auf Meilensteine wie den Nationalen Qualitätsvertrag ANQ 2011 und die ersten Ergebnispublikationen in der Akutsomatik, der Rehabilitation und der Psychiatrie.
Nach diesem gelungenen Auftakt folgte ein intensives Vereinsjahr. Haben Vorstand und Geschäftsstelle die gesetzten Ziele erreicht?
Josef Müller: Abgestützt auf die ANQ-Strategie haben wir 2023 ein umfassendes Zielsystem bis 2028 eingeführt. Dieses beinhaltet jährliche Zwischenziele, die wir jeweils im Rahmen der Vorstandsretraite überprüfen. Stand heute haben wir in den meisten Bereichen erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Einzig in Bezug auf die Unterstützung der Qualitätsvertragspartner nach Art. 58a KVG sind wir noch nicht ganz so weit. Das hängt aber mit der späteren Vertragsgenehmigung durch den Bundesrat und mit weiteren Rahmenbedingungen zusammen, auf die der ANQ als Auftragnehmer keinen Einfluss hat.
Petra Busch: Auf operativer Ebene haben wir beispielsweise den «Fahrplan» zur Thematik PROMs etwas angepasst, um nationale Entwicklungen berücksichtigen zu können. Manchmal sind auch Extraschlaufen nötig, um breit abgestützte, fachlich überzeugende und tragfähige Resultate zu erzielen. Besonders erfreulich ist aus meiner Sicht, dass wir das strategische Ziel der finanziellen Stabilität erneut erreicht haben.
Gibt es auch Themen, die Sie im Berichtsjahr gerne weiter vorangetrieben hätten?
Petra Busch: Wir stellen fest, dass viele Akteure nicht sofort an den ANQ denken, wenn es um Qualitätsmessungen geht. 2024 haben wir erste Schritte eingeleitet, um das zu ändern. Aber wir müssen noch mehr unternehmen, um den ANQ bekannter zu machen. Denn wir sind überzeugt, dass unser Know-how auch für andere nützlich sein kann. Eine gute Vernetzung ist im Interesse aller Beteiligten zentral, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
Josef Müller: Der ANQ ist so erfahren, dass er sein Wissen auch in anderen Bereichen einbringen und Dienstleistungen im Rahmen weiterer KVG-Qualitätsverträge übernehmen könnte. Das würde aber strukturelle und organisatorische Anpassungen bedingen. Die Diskussion, ob wir diesen Weg gehen wollen, ist noch nicht abgeschlossen.
Was waren Ihre persönlichen Highlights im vergangenen Jahr?
Josef Müller: Die konstruktive Zusammenarbeit im Vorstand und die zielorientierte Arbeit der Geschäftsstelle sorgten immer wieder für Highlights. Sehr gerne denke ich auch an die vielen spannenden Begegnungen und Gespräche – etwa am Jubiläumsapéro – zurück.
Petra Busch: Auch ich schätze das enge Miteinander innerhalb des ANQ sehr. Besonders dankbar bin ich für den grossen Einsatz meines Teams. Gemeinsam haben wir 2024 zukunftsgerichtete Neuerungen erarbeitet und die agil-kollegiale Zusammenarbeit gestärkt. Die vom Präsidenten initiierte Zielsystematik war ebenfalls ein Highlight, weil sie intern spannende Prozesse angestossen und die gemeinsame Sichtweise gefördert hat.
2024 hat der ANQ bei seinen Anspruchsgruppen eine Standortbestimmung durchgeführt, die zweite seit 2019. Weshalb gab es eine erneute Befragung?
Petra Busch: Die erste Standortbestimmung war sehr aufschlussreich und löste wertvolle Massnahmen aus. Aufgrund der KVG-Revision hat sich seither im Gesundheitswesen viel verändert. Mit der erneuten Befragung wollen wir überprüfen, inwiefern sich auch die Bedürfnisse und die Erwartungen an uns verändert haben.
Josef Müller: Solche Erhebungen sind für uns essenziell. Denn im ANQ werden die Entscheidungen im Konsens gefällt – und zwar von Mitgliederorganisationen, die zum Teil völlig unterschiedliche Aufgaben und somit unterschiedliche Interessen haben. Auch bei den Spitälern und Kliniken erwarten wir heterogene Antworten. Dies nicht zuletzt, weil die kantonalen Qualitätsvorgaben stark variieren können. Die Standortbestimmung wird Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich machen und uns damit Leitplanken liefern, um Optimierungen und Weiterentwicklungen zu definieren.
Petra Busch: Wir stellten bewusst auch ganz spezifische Fragen. So erwarten wir zum Beispiel konkrete Anhaltspunkte, mit welchen Themen wir den Messplan in Zukunft ergänzen sollen – und wie gross die Bereitschaft ist, solche Neuerungen auch finanziell mitzutragen.
Wo setzen Sie die Prioritäten für 2025?
Petra Busch: Der Vorstand hat im September die strategischen Schwerpunkte 2025 festgelegt. Diese betreffen zum Beispiel die Auswertung der Standortbestimmung, die Benutzerfreundlichkeit der Ergebnisdashboards, den Wissenstransfer und die Straffung der Berichtslegung. Diese Arbeiten haben für die Geschäftsstelle Priorität.
Josef Müller: Hinzu kommen die neuen Aufgaben rund um das Mandat der Qualitätsvertragspartner KVG und die Klärung der noch offenen Fragen. Von grosser Bedeutung sind schliesslich auch die kontinuierlichen Weiterentwicklungen der Messungen. Hier legen wir einen speziellen Fokus auf die vermehrte Nutzung von Routinedaten. Damit wollen wir die Spitäler und Kliniken entlasten und die Digitalisierung in den Institutionen stärken. Alle diese Prioritäten leiten sich logisch von der Strategie ab. 2024 stand im Zeichen des Aufbruchs, 2025 wollen wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen.
Josef Müller ist seit Januar 2023 Präsident des ANQ. Hauptberuflich führte er während 20 Jahren die Psychiatrischen Dienste Graubünden, bevor er im Sommer 2024 zum CEO der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern ernannt wurde. Auf strategischer Ebene engagierte er sich unter anderem als Vorstandsmitglied von H+ Die Spitäler der Schweiz, als Präsident von H+ Bildung und als Vize-Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren.
Dr. Petra Busch feiert 2025 ihr 25-jähriges Jubiläum als Geschäftsleiterin des ANQ und seiner Vorgängerorganisation KIQ (Nationale Koordinations- und Informationsstelle für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen). Zuvor war die promovierte Gesundheitsökonomin in verschiedenen Funktionen im Spitalamt der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern tätig.
Fotos: © Sandra Stampfli / ANQ