Ermächtigungsmacht Vorsitzender FEG Schweiz

So weit mein Auge reicht stehen die Kornfelder reif zur Ernte oder sind schon abgemäht. Während einer abendlichen Velorunde umgibt mich der Duft frischen Strohs und löst Kindheitserinnerungen aus.
Vorsitzender FEG Schweiz, Daniel Rath, daniel.rath@feg.ch

Einen grossen Teil meiner Freizeit als Primarschüler verbrachte ich bei einem Bauern. Erwin, der rund dreissigjährige Sohn der Familie, war mein grosses Vorbild und einer der vielen Förderer in meinem Leben. In der Erntezeit durfte ich jeweils auf dem grossen Claas-Mähdrescher mitfahren, eine gigantische Maschine für einen Zehnjährigen. Eines Tages, nach vielen Stunden des Mitfahrens, überraschte mich Erwin mit dem unerwarteten Kommando, ich solle den Fahrersitz und das Lenkrad des Mähdreschers übernehmen. Dabei ging es um nur eine einzige Aufgabe, nämlich das Gefährt genau in der Spur zu halten, genau entlang der Mähkante. Nachdem er erklärt hatte was im Notfall zu tun wäre, verliess er den Führerstand und kletterte zum Korntank, um dort nach dem Rechten zu sehen. Bei anderen Gelegenheiten verliess er sogar den Mähdrescher, um anhand des Strohs die Qualität des Dreschvorgangs zu kontrollieren. Diese und andere Situationen waren bestimmt nicht ganz ungefährlich – und in einer Kultur maximalen Sicherheitsbestrebens kaum noch vorstellbar, doch sie haben mein Selbstvertrauen gestärkt. Da war ein Mensch, der mich ermächtigt hatte, etwas zu tun was ich noch nie getan hatte und Vertrauen in mich setzte. Manchmal frage ich mich: Wie wäre mein Leben verlaufen ohne die vielen Menschen, die ein Risiko eingegangen sind um mich zu fördern?

Auch wir haben viele Möglichkeiten, Menschen zu fördern. Sei es als Vorgesetzter, Vater oder Mutter, Grossvater oder -mutter, Gotti oder Götti oder als Leiter in der Gemeinde. Die Frage ist, ob wir unseren Einfluss zur Ermächtigung nutzen oder zur Verhinderung derselben. Dienende Leiterschaft bedeutet, andere zu er­mächtigen.