Gott feiern Der Sabbat als gnädiges An-Gebot Gottes

Christoph Ehrat

Was bedeutet mir der Sabbat? Für Christen hat der Sonntag als Tag der Auferstehung Jesu Christi den Platz des Sabbats eingenommen. Der Sonntag als Feiertag baut auf dem jüdischen Sabbat auf und vertieft ihn. Welche Rolle spielt der Sonntag in meinem Leben?

Jesus gibt uns zwei wegweisende Eckdaten für ein hilfreiches Verständnis des Sabbats: «1. Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. 2. Darum ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat» (Markus 2,27f, NGÜ). Jesus schützt die Praxis des Sabbats vor lebensfeindlicher Gesetzlichkeit und zugleich unverbindlicher Beliebigkeit. Er versteht den Sabbat als befreiendes An-Gebot Gottes, das nicht auf die Frage reduziert werden kann: Was ist (nicht) erlaubt am Sabbat? Unter Seiner liebenden Herrschaft wird der Sonntag zu einem lebensspendenden Feiertag mit geistlichem Tiefgang.

Gott feiern – Gott in die Mitte rücken

Am Sonntag haben wir ausgiebig Zeit, Gott zu feiern. Da steht mir wieder deutlich vor Augen: Gott ist der unbestreitbare Mittelpunkt. Ich bin nicht der Nabel der Welt. Ich bin nicht zuständig für alle und alles. Indem ich Gott feiere, der das Mass aller Dinge ist, finde ich zu meinem gesunden Mass. Ich feiere den Schöpfer, den Erlöser und den Vollender. Das lässt mich aufatmen und durchatmen.

Indem ich Gott feiere, der das Mass aller Dinge ist, finde ich zu meinem gesunden Mass.

«Gedenke des Sabbattages, … denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht … , und ruhte am siebenten Tage» (aus 2. Mose 20,8–11).

Am Sabbat sind wir eingeladen, mit Gott zusammen zu ruhen. Wir halten Rückschau mit Ihm auf Sein wunderbares Schaffen. Wir führen uns den einmaligen Schöpfer vor Augen. Vielleicht verweile ich staunend in Seiner Schöpfung und geniesse einen Spaziergang oder eine Wanderung. Sin­nigerweise bedeutet das englische Wort «Recreation» «Erholung, Freizeit» oder eigentlich «Nachschöpfung». Im Einklang mit dem Kreator darf ich meiner eigenen Kreativität Raum geben. Bei mir findet diese manchmal im Fotografieren ihren Ausdruck. Dabei geht es nicht um das perfekte Bild – bei mir eine latente Versuchung –, sondern um die Freude an der künstlerischen Genialität Gottes. Den Schöpfer will ich feiern und darin Erholung finden.

«Sichle» (Kanton Bern) – Fotografie von Joachim Braun

Den Erlöser feiern

In 5. Mose 5,15 gibt Gott eine weitere Begründung, wieso Sein Volk den Sabbat halten soll. An diesem Tag sollen sie besonders daran denken, wie Gott sie mit mächtiger Hand aus dem entwürdigenden Sklavendasein in Ägypten befreit hat. Für den ägyptischen Herrscher waren sie billige Arbeitstiere, für den lebendigen Gott wertvolle Menschen. So ist die Feier des Sabbats eine unmissverständliche Absage an alle Formen von menschlicher Ausbeutung und eine klare Proklamation von menschlicher Würde in der Beziehung zum göttlichen Erlöser. Am Sonntag vergegenwärtigen Christen die mächtigen Befreiungstaten Gottes in Seiner globalen und in ihrer persönlichen Heilsgeschichte.

So ist die Feier des Sabbats eine unmissverständliche Absage an alle Formen von menschlicher Ausbeutung und eine klare Proklamation von menschlicher Würde in der Beziehung zum göttlichen Erlöser.

Dass Jesus gerade auch am Sabbat geheilt hat, ist nicht zufällig. Mit Seinem befreienden Wirken hat er den tiefen Sinn des Sabbats so richtig zum Leuchten gebracht. In Seinem vergebenden Handeln führt Er Menschen in eine innige Liebesbeziehung zu Gott. Am Sonntag darf ich neu eintauchen in die befreiende Wahrheit, dass ich mehr bin, als ich leiste. In Verbindung mit Jesus lasse ich mir zusprechen: Du bist Mein geliebter Sohn, du bist Meine geliebte Tochter, an dir habe ich Wohlgefallen (nach Lukas 3,22).

Am Sonntag als dem Tag des Herrn feiern wir Seine liebende und gerechte Herrschaft. Allein und in der Gemeinde preisen wir den Gekreuzigten und Auferstandenen. Wir hören auf Sein Wort. Wir dürfen aufstehen zum Leben in der Kraft des Auferstandenen wie der Gelähmte am Teich Bethesda (Johannes 5,1–13). Wir richten uns auf und aus wie die Frau mit dem verkrümmten Rücken (Lukas 13,10–17). Am Sabbat macht uns Jesus neu handlungsfähig, wie den Mann mit der verkrüppelten Hand (Matthäus 12,9–13). Jesus bindet uns los von destruktiven Bindungen an Dinge und Menschen und lädt uns ein, uns ganz an Ihn zu binden.

Wir dürfen aufstehen zum Leben in der Kraft des Auferstandenen.

Konkret könnten wir den Erlöser und Sein befreiendes Wirken so feiern: Ich nehme mir Zeit zum Gebet. Ich stehe langsam auf, stehe hin in der Form eines Kreuzes, atme tief durch und nehme bewusst meine von Gott geschenkte Würde in Anspruch. Oder im sonntäglichen Gottesdienst wird regelmässig ein Heilungs- und Segensgebet angeboten, damit Gottesdienstbesucher Vergebung, Befreiung und Ermutigung erfahren.

Auch meine Nächsten sollen etwas von dieser lebensspendenden Qualität des Sabbats erfahren. Vielleicht besuche ich meine hochbetagte Mutter im Pflegeheim und habe Zeit, ihr zuzuhören und mit ihr zu beten. Oder in einem gemeinsamen Spiel mit Freunden geben wir der Lebensfreude Raum. Wir geniessen es, dass nicht immer etwas Produktives herausschauen muss.

Den Vollender feiern

Gott allein ist der perfekte Vollender. So konnte Jesus am Kreuz beten: Es ist vollbracht! Er bringt alles zu einem guten Ende. Er wird alles neu machen. Das entspannt mich. Darum kann ich auch mal ruhen, wenn ich noch nicht mit allem fertig bin. Wenn ich nur dann loslassen kann, wenn ich alles erledigt habe, dann erledige ich mich selber und manchmal auch meine Mitmenschen. Jeder Sonntag weckt also Vorfreude auf eine Zeit, wo wir in ungetrübter Gemeinschaft mit Gott leben und Ihn ungehindert feiern können. Eine ewige Zeit, wo all unser Sein und Wirken gänzlich befreit ist von aller Mühsal und Unruhe.

Mich auf den Feiertag vorbereiten

Für einen hohen Feiertag oder eine bedeutende Begegnung bereite ich mich vor. Oft entscheidet der Vorabend über die Qualität des Sonntags. Es kann hilfreich sein, den Samstagabend nicht zu überladen und den Medienkonsum einzuschränken. Vielleicht zünde ich eine Kerze an. Ich gönne mir eine Zeit der Stille. Ich male mir vor Augen, was für ein Privileg es ist, dass Gott mich nicht ständig puscht, sondern mir Zeit zur Erholung schenkt. Ich preise Ihn für den Sonntag, Sein gnädiges und lebensspendendes An-Gebot.

Impulse zur persönlichen Umsetzung
Bewusst aus dem Trott und Getriebensein des Alltags heraustreten. Sich auf den unsichtbaren Gott ausrichten.
Den Schöpfer, Erlöser und Vollender feiern und dadurch erfrischt werden.
Losgelöst von Zeit- und Zieldruck mit Menschen zusammensein, ohne etwas erreichen zu müssen.
Christoph Ehrat, Theologe und Seelsorger, ehemaliger Dozent am Theologischen Seminar St. Chrischona tsc für Seelsorge und Spiritua­lität. Im aktiven Ruhestand, geist­licher Begleiter und Seel­sorger, Leiter von begleiteten Stille Tagen in der Oase Wild­berg, verschiedene Predigt­vertretungen.
Stille Tage geleitet von Christoph Ehrat in der Oase Wildberg: Authentisches Leben in und aus der Stille. Regelmässiger Zwischenhalt für die Pflege eines vitalen geistlichen Lebens. Daten: 3. 6., 2. 9. und 2. 12. 2024. Anmeldung unter www.oase-wildberg.ch