Durch einen Mitarbeiter der Kirche focusC Chur bin ich auf den Namen Tina Büchi gestossen. Als Präsidentin der FEG kümmert sie sich vorbildlich um uns «Pastoren», sagte er mir. Das macht mich neugierig und ja, Tina ist bereit, mir einen Einblick in ihr Leben zu geben. Und auch in dieser Lebensgeschichte staune ich, wie Gott führt, heilt und formt.
Harry Pepelnar arbeitet zu 30 Prozent mit Begeisterung für die FEG Kommunikation, pepelnar@gmail.com
Ihr vollständiger Name ist Tina Flurina Büchi, ein echter Bündner Vorname, wobei der Nachname Büchi wohl von woanders herkommen muss. Sie wird 1966 geboren und lebt zunächst im luxuriösen St. Moritz, bis die Familie nach Lain bei Lenzerheide umzieht. «Wir waren eine ganz normale Arbeiterfamilie, mein Vater war Elektriker. Ich habe es genossen, mit meinem jüngeren Bruder so aufzuwachsen und dass meine Eltern für uns da waren.»
Schule im Freien
Schon früh merkt sie, dass sie als Protestantin in einer katholischen Gegend in der Minderheit ist. So erinnert sie sich gut an den Religionsunterricht in der Schule: «Da nur zwei Familien im Dorf protestantisch waren, fand der Religionsunterricht oft aus Platzmangel im Freien statt.» Eines Tages will sie auch ein wenig katholisch sein. Sie geht zur Beichte. «Als ich im Beichtstuhl sass, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Der Pfarrer ist dann ganz schön böse geworden.» Die Eltern beten mit den Kindern, gehen an Feiertagen in die Kirche und sie besucht den Konfirmandenunterricht. «Ich musste 10x in den Gottesdienst gehen. 5x davon bin ich nur reingegangen, habe mir den Stempel geholt und bin wieder raus.» So viel zum Glauben der Jugendlichen.
Kein angepasster Teenie
Sie besucht die Oberstufe in Lenzerheide. Sie liebt es, kreativ zu sein, zu kochen und mit Kindern zu spielen.
«Ich mochte es nicht, in der Menge mitzulaufen und hatte immer 1000 Dinge und Ideen im Kopf.»
Später wird sie selbst Hauswirtschaftslehrerin, aber ihre Lehrerin von damals wird Tina nie vergessen. Pudding selber machen steht auf dem Stundenplan. Zur Veranschaulichung erklärt die Lehrerin, dass der Pudding eine Konsistenz haben muss, damit er an der Wand kleben bleibt. Die Einzige in der Klasse, die den Pudding an die Wand wirft, ist Tina. Ob er geklebt hat, weiss niemand mehr.
Der etwas andere Glaube
Während ihrer Ausbildung zur Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin ist sie gerne unterwegs, am liebsten im Posthotel in Valbella. Während der Ausbildung lernt sie drei junge Frauen kennen, die ein etwas anderes Verhältnis zum Glauben haben. «Sie haben zusammen gebetet und uns andere immer wieder eingeladen. Aber ich hatte keine Lust mitzugehen.» Doch eines Tages geht sie doch mit. In Zürich findet eine Evangelisation mit Wilhelm Pahls statt. Am ersten Abend findet sie es noch ein bisschen komisch.
«Aber am zweiten Abend bin ich nach vorne gegangen und habe mich bekehrt. Eher aus Angst. Aber es war ein wichtiger Schritt.»
Sie ist 21 Jahre alt und besucht ab und zu die Jugendgruppe von fokusC Chur.
Liebe am Seil
Nach der Ausbildung wird sie für zwei Jahre als Lehrerin in Scuol arbeiten und dort auch einen Hauskreis besuchen. Tina ist eine begeisterte Sportlerin. Bergsteigen, Klettern, Skifahren. Sommer wie Winter. Und bei einer CEVI-Alpinwoche lernt sie Walter kennen. «Ich war die ganze Woche mit ihm am Seil, er war der Leiter. Es hat mich beeindruckt, dass er ein Mensch ist, der überlegt handelt. Was er sagt, hat Hand und Fuss.» Und so heiraten die beiden 1991. Wie die Liebesgeschiche so im Detail abgelaufen ist, kann ich nicht herausfinden. Über sich sagt die Bündnerin:
«Ich bin zwar einfühlsam, habe aber meine Gefühle nicht auf der Zunge.»
Später erleben die beiden am Berg einen schrecklichen Absturz. «Ich war nicht richtig gesichert. Während des Sturzes hörte ich die Stimme Gottes: «Ich halte dich», und ich hatte keine Angst. Ich landete vorerst auf einem Steinblock, der sich jedoch unter meinen Füssen löste und ich stürzte weiter ab, dieses Mal von Angst begleitet. Mein Vertrauen in Gott wurde gestärkt und in eine tiefere Dimension geführt.
Gerne mit Kindern und Jugendlichen unterwegs
Sie ziehen nach Chur, wo sie einige Jahre leben und arbeiten. Tina beginnt, Aufgaben in der Gemeinde zu übernehmen, vor allem im Kinderbereich. Sie wird eine der ersten Frauen in der Gemeindeleitung. «Ich war nur Ressortleiterin Kinder und durfte nicht wirklich leiten, geschweige denn abstimmen.» Aber es war eine erste Erfahrung.
«Wir hätten auch gerne Kinder gehabt. Aber es durfte nicht sein.»
3 Jahre dauerte der schmerzhafte Klärungsprozess mit den Themen Medizin, Adoption etc.
«Wir haben gelernt, auf Gottes Stimme zu hören und der Führung des Heiligen Geistes Raum zu geben.» In dieser Phase findet eine Neuorientierung statt, auch was den Freundeskreis angeht. «Wir haben neu gestartet ein Beziehungsnetz aufzubauen. Wir sind heute nicht verbittert. Ganz im Gegenteil. Wir fühlen uns beschenkt und sind immer noch gerne mit Familien, Kindern und Jugendlichen zusammen.»
Gemeinde Crash
All das prägt Tina und bereitet sie auf zukünftige Leitungsaufgaben vor. Der nächste Pastor beruft sie erneut in die Gemeindeleitung, aber jetzt richtig. Doch die kommende Zeit wird nicht einfach. Es gibt wieder einen Pastorenwechsel. «Eigentlich spüre ich sofort, wenn etwas nicht stimmt. Auch damals war das so.» Sie empfindet das Verhalten des neuen Pastors manipulativ. Es kommt dann auch zum grossen Knall, die Leitung und der Pastor treten zurück. «Ich habe ein externes Coaching in Anspruch genommen. Durch diese Krise habe ich als Leiterin viel gelernt. Zum Beispiel früher mit anderen zu reden, und ich bin eigenständiger geworden.» Sie fühlt sich mitverantwortlich für die Krise und wird später in einer Gemeindeversammlung darüber sprechen und um Vergebung bitten.
Präsidentin und Alters-Leukämie
Nach einer zweijährigen Pause wird sie wieder in die Leitung berufen. Es ist viel Heilung und Wachstum geschehen. Heute kann sie von sich sagen, dass Leitung ihre Berufung ist. Drei Männer und drei Frauen leiten fokusC und Tina ist die Präsidentin. Im Gespräch merke ich, wie ernst Tina ihre Verantwortung nimmt. Das beeindruckt mich. Wie wertvoll ist es, wenn Gemeinden solche Leitende haben dürfen.
Im Jahr 2019 wird bei einer Routineuntersuchung Altersleukämie diagnostiziert. Wieder stehen Lebensprüfungen an, geprägt von Hochs und Tiefs. Nach Chemotherapien beruhigt sich die Leukämie.
«Ich lasse sowieso oft und gerne mit mir beten und habe auch Heilungsgebete in Anspruch genommen. Ich weiss, dass Gott heilen kann, aber für mich ist ein anderer Weg vorbereitet. Trotzdem fühle ich mich gesund.»
Bei der letzten Kontrolle waren alle Blutwerte recht gut. «Ich fühle mich getragen», sagt sie am Ende unseres Gesprächs.