Geschrieben von Stefan Volkamer
„Es war eine große Freude, mit Dir zusammenzuarbeiten.“ „Deine Ideen haben Spuren hinterlassen.“ „Die Zusammenarbeit der Kreise in OWL wurde Dank Dir zum größten Joint Venture seit der Hermannschlacht.“ „Du hast Kraft für die Arbeit aus der Arbeit gezogen. Was für eine Omnipräsenz!“ „Du hast so viel verändert, bist Dir selbst aber immer treu geblieben.“ „Friedel Heuwinkel hat in 16 Jahren viel verändert, aber er ist sich immer treu geblieben.“ „Er war immer leistungsorientiert und gradlinig. Im Meisterjahr gab es für Friedel Heuwinkel mehr Applaus als für Kanzler Schröder.“ Er hat sich mit Herzblut für die Feuerwehr eingesetzt.“ „Du warst immer leistungsorientiert und gradlinig und immer nah an den Menschen unserer Region.“ „Während Deiner Amtszeit haben unsere Hilfsorganisationen und das THW noch enger zueinander gefunden.“ „Du warst und das mit viel Erfolg, stets bürgernah, stets nah am Volk. Wie Hermann, der Recke ohne Fehl und Tadel.“
So verwunderte es niemanden, dass der ehemalige und langjährige Landrat des Kreises Lippe, Friedel Heuwinkel, nach seiner langjährigen Amtszeit offiziell und würdevoll mit einem großen Zapfenstreich des Lippischen Feuerwehrverbandes aus seinem Dienst verabschiedet wurde. 350 Feuerwehrleute aus dem ganzen Kreis Lippe und hochrangige Prominenz kamen auf dem Lemgoer Marktplatz zusammen und zollten dem Bauernsohn aus Österholz durch ihre Anwesenheit Respekt. Die Ära des beliebten CDU-Politikers Friedel Heuwinkel war vorbei. Vielen Lippern allerdings ist er bis heute in guter Erinnerung geblieben als ein bürgernaher und aufrechter, engagierter und interessierter Landrat, liebevoller Vater und Familienmensch.
Seine politische Karriere wurde ihm keineswegs in die Wiege gelegt. Das Licht der Welt erblickte Friedel Heuwinkel am 14. Juni 1950 in Österholz-Haustenbeck, damals ein kleines Bauerndorf in der Lippischen Weite. Sein Geburtshaus – ein altes Fachwerkhaus aus dem Jahr 1791 – war klein und eng, die Familie musste sich auf das Wesentliche reduzieren und stets zusammenrücken. „Wir lebten auf kleinstem Platz und es waren schwierige Zeiten. Umso wichtiger war der Zusammenhalt in der Familie und der respektvolle Umgang untereinander. Zusammenhalt und der respektvolle Umgang mit anderen haben mich seit meiner Kindheit geprägt“, erinnert sich Friedel Heuwinkel. „Sie bilden mein Grundfundament und daran hat sich bis heute nichts verändert.“ Österholz lag weit weg vom Schuss. Die Wege waren lang, Autos rar, und wie in ländlichen Regionen zu dieser Zeit noch üblich, kam Friedel außerklinisch zur Welt: Hausgeburt im Elternhaus.
Aufgewachsen in dörflicher Idylle
Der kleine Bauernhof sollte die kommenden 11 Jahre das Zuhause des jungen Friedel bleiben. Hier wuchs er, später auch mit Bruder und Schwester, auf. „Es war eine schöne Zeit, eine schöne Kindheit“, erinnert er sich. „Meine Eltern waren mit dem Hof und der Landwirtschaft fast rund um die Uhr beschäftigt, und auch wir Kinder wurden schon sehr früh in die Bewirtschaftung mit einbezogen. Ich kanntes jedes unserer Rinder und Milchkühe beim Namen und es machte mir einfach Freude, mit ihnen umzugehen und mit ihnen zusammenzuleben. Aber ich hatte auch tolle Freunde im Ort. Man brauchte sich nicht zu verabreden. Man ging einfach hin und spielte zusammen oder erkundete die umliegenden Felder und Wälder. Die dörfliche Gemeinschaft war sehr wichtig und funktionierte. Sie bot Schutz, Abwechslung und ermöglichte den Aufbau von ersten sozialen Beziehungen außerhalb der eigenen Familie. Irgendwie waren wir alle damals eine große Familie, die sich gegenseitig stützte und half, wenn es sein musste.“
Seine Kindheitserinnerungen klingen ein wenig wie in dem Buch „Wir Kinder aus Bullerbü“ der Autorin Astrid Lindgren, die über das idyllische Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Land erzählt. Aus der Sicht einer Siebenjährigen. „Es ist eine schöne Erzählung. Ich weiß nicht, wie damals das Leben auf dem Land in Schweden war. Aber auch wir Österholzer Kinder hatten unsere kleinen Alltagsabenteuer erlebt und die ländliche Idylle genossen, selbst wenn diese hin und wieder eingetrübt wurde“, so Heuwinkel.
Der große Umzug
1961 war es mit dem gewohnten Leben mitten im Dorf vorbei. Da es keine wesentlichen Erweiterungsmöglichkeiten für die Hofanlage gab und es der großen Familie an Platz mangelte, siedelten die Heuwinkels um. Raus aus der Enge des Dorfes und rein in einen wesentlich größeren Hof im Randbereich. „Das war für mich ein großes Abenteuer und für meine Eltern eine starke Belastung“, erinnert sich Friedel noch ganz genau. „Mit Sack und Pack umziehen, wenn es auch nicht weit weg war. Aber alles musste mit. Möbel, Kleidung, die komplette Gerätschaft und natürlich unsere Tiere. Meine Begeisterung hielt sich zunächst in Grenzen. Der Weg zu meinen Freunden war jetzt länger, aber dafür hatte ich mein erstes eigenes Zimmer mit einem großen Fenster und viel Licht. Und darüber habe ich mich sehr gefreut.“ Gefreut hat er sich auch über sein erstes Fahrrad, das er von seinem Großvater mütterlicherseits geschenkt bekommen hat. „Ich habe es von meinem Opa bekommen, als er in den Ruhestand ging. Er war Holzhauer von Beruf und fuhr mit diesem Fahrrad immer in den Wald. Seine riesige Säge trug er dabei stets quer vor sich. Es war ein anstrengender und auch gefährlicher Beruf, den er aber mit viel Leidenschaft und viel Spaß ausübte. Meine Freude an der Natur und an den Wäldern Lippes habe ich bestimmt von ihm geerbt.“ Vermisst hat er an der neuen Hofstelle nichts. Über die Jahre haben sich viele Kontakte in der Landjugend ergeben und mit dem Erhalt des Führerscheins durfte er mit dem „200er Diesel“ seines Vaters die weitere Umgebung unsicher machen. „Freitags und samstags habe ich meine Freunde abgeholt und wir sind dann gemeinsam auf Landjugendveranstaltungen, Weinfeste oder auf die Kirmes gefahren. Wir waren fast an jedem Wochenende unterwegs, solange meine Eltern den Wagen nicht brauchten. Das war meine erste „wilde“ Zeit und wir hatten alle mächtigen Spaß“, gesteht er rückblickend mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Der neue Hof war mehr auf Zweckmäßigkeit und Rationalität ausgerichtet und bot damit die Gelegenheit, neben den Rindern und Milchkühen auch mit der Geflügelzucht zu beginnen. „Eine gute Sache“, die Friedel Heuwinkel von Beginn an miterlebt hat. Als Kind und Heranwachsender war er immer in die Landwirtschaft eingebunden und als Ältester wurde ihm schnell klar, dass er den Hof einmal übernehmen würde. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung zum Landwirt und legte mit 24 Jahren die Meisterprüfung ab.
Meister der Landwirtschaft
Als Meister durfte er auch ausbilden. Und tat es auch. „Viele haben auf unserem Hof die Ausbildung zum Landwirt absolviert. Die meisten von ihnen wohnten während ihrer Ausbildungszeit sogar bei uns. Es war wie früher in meiner Kindheit. Wie in einer Großfamilie. Aber das Zusammenleben mit den Auszubildenden funktionierte prima, denn jeder begegnete dem anderen mit viel Respekt und lies ihm seine Ecken und Kanten. Die Gemeinsamkeit funktionierte einfach.“ Zu den Rindern, Kühen und dem Geflügel kamen ein Hofladen und ein kleines Café dazu, der Hof blühte.
Glühende Diskussionen in der Landjugendschaft boten dem künftigen Landrat eine willkommene Abwechslung zu seinem Alltagsleben auf dem Hof. Friedel Heuwinkel war bekannt, beliebt und gut vernetzt. Als Vorsitzender der örtlichen Feuerwehr und als begeisterter Fußballer kannte er viele, sehr viele Menschen um ihn herum. Zudem galt er als guter Redner und Zuhörer und hatte bereits erste Erfahrungen in der Regionalpolitik als Kreisvorstand von Schlangen gesammelt. Das wusste auch der örtliche Parteivorsitzende der CDU. Er suchte für die Kommunalwahl `89 dringend einen zündenden Spitzenkandidaten für seine Partei, um der absoluten Mehrheit der SPD und deren Alleinregierung in Schlangen etwas entgegen setzen zu können. Heuwinkel sagte zu. Mit Unterstützung der jugendlichen Wählergemeinschaft, die neben den 11 Sitzen der CDU 3 eigene Sitze erringen konnten, war die Überraschung perfekt. Friedel Heuwinkel wurde mit 39 Jahren ehrenamtlicher Bürgermeister von Schlangen. Der eigentliche Beginn seiner politischen Karriere.
Bürgermeister von Schlangen
„In den zehn Jahren als Bürgermeister von Schlangen haben wir vieles auf die Beine gestellt“, sagt er. „Wir haben neue Baugebiete entwickelt, Schulen erneuert, in Österholz einen Kindergarten errichtet, die Grundschule vergrößert und, und, und. Aber das alles ging auch nur, weil mir mein jüngerer Bruder Ralf die Verantwortung für den Hof abgenommen hat. Er ist selbst gelernter Landwirt. So hatte ich Zeit für meine Tätigkeiten als Bürgermeister und half nur noch hier und da aus, wenn es sein musste.“
Das Jahr 1999 markierte einen weiteren Wendepunkt im Leben des Friedel Heuwinkel. Die Landratswahl stand an, und er wurde gefragt, ob er sich als hauptamtlicher CDU-Landratskandidat aufstellen lassen würde. Von 1994 bis 1997 war er bereits stellvertretender Landrat. Eine für ihn schwierige Entscheidung, aber mit reizvoller Perspektive. „Nach zehn Jahren als Bürgermeister von Schlangen kennt man alle und jeden, man ist permanent unterwegs, auch abends, man ist fast überall präsent. Das Amt des Landrats wäre etwas völlig Neues mit größerem Gestaltungsraum und noch mehr Verantwortung. Abgesehen davon waren auch die Chancen da, denn die SPD schwächelte, wohl auch wegen der Agenda 2010, im Landkreis Lippe und verlor an Zuspruch in der Bevölkerung“, meint Heuwinkel. Ohne diese Verluste an Zuspruch für die SPD hätte er keine Chance gehabt, gesteht er im Nachhinein. Und es gab viele Skeptiker auf der Gegenseite. „Der Bauer kann das nicht. Vielleicht ein Dorf, aber keinen ganzen Landkreis?“, war zu hören, erinnert sich Heuwinkel noch gut. Aber dann kam alles anders. Heuwinkel wurde 1999 zum Landrat gewählt, die SPD-Vorherrschaft war gebrochen, und er schickte sich an, im Kreis Lippe neue Strukturen zu schaffen.
Landrat von Lippe
„Ich wollte mich für ein lebenswertes Lippe stark machen, einen Landkreis mit starker Wirtschaft aufbauen, einen Ort für gutes Arbeiten schaffen, einen Platz, an dem sich Jugendliche entwickeln können und einen Platz, zu dem ehemalige Lipper wieder gerne hin zurückkehren. Ich bin mit dem Ziel angetreten, den Kreis Lippe attraktiv für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu machen, für Familien mit und ohne Kinder, für Touristen ebenso wie für Arbeiter und Akademiker. Besonderes Augenmerk aber habe ich auf die Bereiche Bildung und Gesundheit gelegt. Denn wenn die stimmen, dann kommt der Rest fast von ganz allein“, meint Heuwinkel. Im Kreis Lippe entstand die erste Familienklinik. Eine Klinik, in der sowohl Geburten vorgenommen als auch Kinder behandelt werden konnten. Wand an Wand. Im Kreis Lippe entstand das erste Brustzentrum zur Krebsbehandlung in Nordrhein-Westfalen, in Lippe wurde die berufliche Bildung über Berufskollegs weiterentwickelt und intensiviert, in Lippe wurden neue Organisationen in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Lippe auf die Beine gestellt. In Lippe passierte nicht nur etwas, in Lippe passierte viel. Dieses Viel traf auf viel Aufmerksamkeit, traf auf viel Interesse, zog viele hochkarätige Fachkräfte aus der Medizin, der Forschung und Entwicklung, der Wirtschaft und des Handwerks an und sorgte parallel für wenig Abwanderung. „Qualität macht attraktiv“, so Heuwinkel. Die Bevölkerung des Landkreises sah das wohl ebenso und wählte Friedel Heuwinkel immer wieder. 16 Jahre war er Landrat und prägte eine ganze Ära. Dabei war er stets bürgernah, offen, verbindlich und was er auch tat oder anregte, er war mit Herzblut, Freude und Leidenschaft dabei. Friedel Heuwinkel war ein echter Zeitenpräger.
Ein schwerer Schlag
Aber auch jede noch so gute Zeit endet einmal. Das deutete sich 2015 an. Bei den Landratswahlen. Die CDU wollte ihn zum fünften Mal aufstellen. Er musste erst lange überlegen, fühlte sich aber noch fit genug und hatte noch genügend Ideen für Lippe im Kopf. Bei dem ersten Wahlgang fehlten 420 Stimmen für einen klaren Sieg, in der anschließenden Stichwahl gegen seinen SPD-Kontrahenten Dr. Axel Lehmann verfehlte er seine Wiederwahl nur knapp. Ein herber Schlag für den bürger- und naturnahen Friedel Heuwinkel, den er erst einmal verkraften musste. „Die verlorene Wahl 2015 ging mir schon ganz schön unter die Haut“, gesteht er. „Aber viel schlimmer als der Verlust meines politischen Amtes war die anschließende Erkenntnis, dass Freund nicht immer Freund ist. Es war bitter zu sehen, wie sich noch am Wahlabend sogenannte Freunde dem anderen Lager zugewendet haben. Die Spreu trennte sich vom Weizen. Aber zu meinem großen Glück sind mir doch viele echte Freunde aus dieser Zeit geblieben.“ Am 20. Oktober 2015 übergab er sein Büro im Detmolder Kreishaus an seinen Nachfolger. „Die Position als Landrat war für mich meine schönste politische Aufgabe. Ich hatte einen großen Gestaltungsraum, konnte viel anstoßen, begleiten und bewegen. Ich war überall dabei, außen und in der Verwaltung selbst. Ich habe viele Menschen an den richtigen Platz setzen dürfen, konnte Auszubildende begrüßen und sie auf ihrem Berufsweg begleiten und habe zu meiner großen Freude gemeinsam mit anderen immer wieder neuen Lösungen für Probleme gefunden. Es war eine großartige Zeit, getragen von Zusammenhalt und gegenseitigem Respekt.“
Bildung und Naturparks
Schon während seiner Amtszeit als Landrat hatte Friedel Heuwinkel intensiven Kontakt mit der Hochschule des Mittelstands in Bielefeld. Und da ihm berufliche Bildung immer schon am Herzen lag, nahm er nach seinem Abschied von der Politik das Angebot der Hochschule an, das Institut des Mittelstands mit aufzubauen. Heute leitet er es. „Bei der Entwicklung der Stadt-Land-Beziehung und der dazugehörigen Räume nimmt der Mittelstand eine immer größere Bedeutung ein. Um hier die Fachkräfte der Zukunft auf die digitale Welt gut vorzubereiten, ist die Mittelstandsforschung - in enger Verbindung mit den Betrieben - von größter Bedeutung. Das möchten wir mit dem IfM regional, national und international begleiten“, erläutert er. Aktuelle Projekte sind zum Beispiel Künstliche Intelligenz und die Digitalisierung im Handwerk oder auch Gutachten im Bereich der Cyber Kriminalität für das Innenministerium. Seine ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident des „Verbandes Deutscher Naturparke“ bedeutet und gibt ihm viel.
Der vierfache Vater lebt heute noch auf seinem Hof − zusammen mit einem Teil seiner Familie. BIO-Gas und Photovoltaik machen den Hof fast energieautark. „Wir haben, anders als zu meiner Kindheit, zwar getrennte Wohnungen mit separaten Eingängen. Jeder hat seinen Rückzugsraum. Heute nennt man diese Lebensform wohl `Generationenübergreifendes Wohnen´. Aber im Grunde ist es nichts anderes als das Zusammenleben wie in einer Großfamilie. Zusammenhalt und Respekt bildeten von Geburt an mein Grundfundament, meine Lebensmitgift sozusagen. Dieses Fundament schenkt mir bis heute, auch im höheren Alter, einen ganz besonders schönen Sinn für mein Leben.“
Friedel, der „Recke“, kämpft weiter. Für die berufliche Bildung im Landkreis Lippe und für die deutschen Naturparks.
Danksagung:
Wir bedanken uns für das nette Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.