Für manche gehen an Weihachten lang gehegte Träume in Erfüllung, für andere ist Weihnachten ein Albtraum. Am liebsten ist es uns, wenn die Albträume so schnell wie möglich vorübergehen und die Träume wahr werden. Die Kunst des Lebens ist jedoch, mit Träumen und Albträumen richtig umzugehen.
Der Weihnachtsalbtraum
Für Herodes den Grossen musste es wohl der Albtraum des Lebens gewesen sein, als eines Tages Gelehrte aus der Fremde in seinem Palast aufkreuzten und fragten, wo der neue König der Juden geboren worden sei. Mit viel Geschick hatte Herodes den Thron erobert und mit brutaler Gewalt verteidigt. Er schreckte dabei nichteinmal davor zurück, seine Kinder und seine Frau hinzurichten. Niemand sollte ihm in sein Leben hineinreden und ihm seine Position streitig machen.
Und nun kamen diese Weisen und konfrontierten ihn mit dem Albtraum seines Lebens. Sein Nachfolger sei geboren worden. Herodes war bestürzt und mit ihm ganz Jerusalem (Mt 2,3). Wer wollte wohl dem grossen und mächtigen Herrscher den Thron streitig machen? Denn in seiner Familie stand keine Geburt an.
Ein emsiges Treiben begann. Herodes versammelte alle Schriftgelehrten und erkundigte sich, wo der Messias, der verheissene neue König, geboren werden sollte. Für die Schriftgelehrten war klar, dass dieser nach Micha 5,1.3 aus Bethlehem kommen musste. Jetzt war es für Herodes nur noch wichtig zu wissen, wann dieser neue Herrscher geboren wurde. Die Weisen konnten ihm aufgrund ihrer Forschungen genau den Zeitpunkt sagen. So schickte sie Herodes als Vorhut aus, das Kind zu suchen und ihm Bericht zu erstatten.
Der Weihnachtstraum
Für die Gelehrten aus dem Osten wurde ein Traum wahr. Sie fanden nach beschwerlicher Reise das Kind, dessen Stern sie am Himmel gesehen hatten. Dieses Neugeborene musste etwas Besonderes sein. Das ganze Universum schien sich nach ihm zu richten. Doch für sie war es sicher eine Überraschung, sich bei einer einfachen Familie im Nahen Osten wiederzufinden. So mancher Traum erfüllt sich ganz anders als gedacht. Statt im Haus von Herodes, des weltberühmten Erbauers Jerusalems, fanden sie den neugeborenen König bei einem einfachen Handwerker und seiner jungen Frau. Nach der Anbetung von Jesus und der Geschenkübergabe bekamen sie in einem Traum die Anweisung, nicht zu Herodes zurückzukehren. Für sie war sofort klar, dass dies ein Fingerzeig von oben war.
Der Weisungstraum
Ob Josef ihnen wohl seinen Traum erzählte? Josef musste lernen, mit Träumen und Albträumen umzugehen. Zuerst war da der Schock, dass seine Verlobte ohne ihn schwanger geworden war. Als nächstes machte ihm im Traum ein Engel klar, dass es seine Aufgabe war, Maria beizustehen (Mt 1,20ff.). Dann folgte der Besuch der Hirten und der Weisen als göttliche Zeichen. Und noch einmal folgte Gottes Wegweisung in einem Traum: Josef sollte mit Maria und dem Kind nach Ägypten fliehen (Mt 2,13ff.).
Mich fasziniert an Josef, dass er die Träume richtig einordnen konnte. Wann ist ein Traum von Gott, und wann verarbeitet unsere Seele einfach Erlebtes? Träume erzählen mir auf jeden Fall, was mich beschäftigt, auch wenn ich es aus meinem Bewusstsein verdränge. Wichtig ist dabei, dass ich mich frage, was die Bilder im Traum für mich bedeuten. Gott kann uns dadurch auf manche Dinge aufmerksam machen, die wir verdrängen und die aufgearbeitet werden sollten. Eine schematische Traumdeuterei durch einen anderen
«Wie reagieren wir auf sein Reden? Lehnen wir uns auf wie Herodes, oder heissen wir Jesus willkommen wie die Weisen?»
Menschen kann in die Abhängigkeit des Deuters führen. Gott möchte uns unsere Träume aufschlüsseln (1Mo 41,15-16). Deshalb braucht es das betende Fragen, was uns ein Traum zu sagen hat. Gott spricht auf unterschiedlichste Weise zu uns. Dazu kann er auch Träume nutzen.
Traum oder Albtraum
Auch heute ist Jesus für viele ein Albtraum. In ihm wird Gottes Anspruch an uns sichtbar. Durch ihn tritt unerwartet Gott in das Leben der Menschen ein. Sie werden auf einmal damit konfrontiert, ob sie Jesus als Gottes Retter, König und Messias annehmen wollen oder nicht.
Gott spricht auch heute. Nicht immer sind es Träume – Gott spricht durch Umstände, Mitmenschen, unser Gewissen oder Bibelworte zu uns. Wie reagieren wir auf sein Reden? Lehnen wir uns auf wie Herodes, oder heissen wir Jesus willkommen wie die Weisen? Georg Weissel lädt uns ein, in sein Willkommenslied mit einzustimmen: «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit.» (nach Psalm 24,7).»
Hanspeter Obrist, www.obrist-impulse.net
Der Text erschien erstmals in «Focus Israel» von Amzi, Abdruck mit freundlicher Genehmigung.