Gemeinsam! Eine Porträtserie über Menschen aus Aachen, die sich für andere einsetzen

Markus Morgenweg

„Ich habe noch viele Fragezeichen in meinem Kopf“, sagt Markus Morgenweg, „denn es gibt noch so viel zu erforschen über dieses Thema!“ Dieses Thema, das ist der Westwall – ein Netzwerk aus Bunkern, Höckerlinien und Sperren, das sich über eine Länge von mehr als 600 Kilometern an der deutschen Westgrenze vom Niederrhein bis Basel entlang zieht. Errichtet wurde der Westwall in den Jahren 1936 bis 1940. Von der Nazipropaganda wurde er als Verteidigungsbollwerk zum Schutz der Bevölkerung proklamiert, vor allem diente er aber dazu, den deutschen Truppen bei einem Angriff auf Polen den Rücken freizuhalten.

„Das Kriegsgeschehen interessiert mich nur am Rande“, erklärt er. Ihm gehe es primär um die baulichen und strategischen Aspekte im regionalhistorischen Kontext. Seit fast 30 Jahren befasst sich der 51-jährige in seiner Freizeit damit, wie der Westwall entstand und was von ihm übrigblieb.

Als wir zusammen im Aachener Nordwesten unterwegs sind, zeigt Markus Morgenweg mir einige der Relikte. Manche sind gut zu sehen – etwa die Panzermauer oberhalb von Lemiers –, andere hingegen erkennt man lediglich mit großer Mühe. Von den 389 Westwallbunkern im Stadtgebiet Aachens sind noch 10 Stück in ihrer Bausubstanz intakt, von weiteren 62 sind nur noch Betonreste sichtbar. Die Bunker wurden nach dem Krieg von den Alliierten angesprengt, weil militärische Anlagen auf deutschem Boden „unbenutzbar“ gemacht werden mussten. Die meisten Reste sind heute übererdet. Sie sind heute oftmals als kleine bewachsene Hügel in freier Fläche erkennbar.

Markus Morgenweg will mit seiner Arbeit das Wissen über den Westwall der Öffentlichkeit zugänglich machen. Für die Bewohner der Grenzregion war der Bau des Westwalls eine einschneidende Erfahrung – schließlich waren etwa 500.000 Bauarbeiter daran beteiligt, die aus dem ganzen Reich an die Westgrenze kamen. „Der Westwall hat nicht nur das Aussehen der Aachener Region verändert, er hat auch soziale Einschnitte und Veränderungen mit sich gebracht“, betont er. Ein Buch zum Thema hat der Aachener bereits geschrieben, ebenso diverse Fachartikel. Zudem hält er Vorträge und bietet geführte Exkursionen an.

Wer den Begriff Westwall hört, denkt heute in erster Linie an die Panzersperren. Die vier- und fünfreihigen Höckerlinien sind vor allem rund um Oberforstbach und im Aachener Norden gut in der Landschaft auszumachen. Von ursprünglich 22 Kilometern sind heute noch rund 10 Kilometer im Stadtgebiet sichtbar erhalten. „Die Nazis haben die Sperren gebaut, um ein Vorrücken der feindlichen Truppen zu verlangsamen“, sagt er. Insgesamt war der Westwall ein komplexes System, zu dem neben den Bunkern und den Sperren auch eine Infrastruktur für Nachschub, Versorgung und Kommunikation gehörte.

Informationen zu dem Thema findet Markus Morgenweg in diversen Archiven (Militär-, Staats- und Stadtarchiv oder auch bei den örtlichen Geschichtsvereinen), aber vor allem auch durch Begehungen vor Ort.

Lebensraum für Tiere und Pflanzen

Als wir auf unserer Runde an den überwucherten Resten eines alten Bunkers vorbeikommen, wird klar, wie ambivalent das Thema heute ist. Auf der einen Seite war dieser gigantische Baukomplex ein Teil des finstersten Kapitels deutscher Geschichte. Auf der anderen Seite sind die Reste auch heute noch Teil der Landschaft. Die Ruinen geben zahlreichen Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause. Einzelne Strukturen stehen in Aachen bereits unter Denkmalschutz.

„Viele Menschen sagen, dass zum Thema Westwall schon alles bekannt sei“, sagt Markus Morgenweg, „aber das stimmt nicht“. Immer wieder findet er bisher undokumentierte Strukturen auf seinen Forscherrouten. Oftmals fehlen dann die Hinweise, wofür diese Strukturen genutzt wurden. Nur selten findet er nach Jahren ein Hinweis dazu in einem der Archive. Somit bleiben für ihn auch weiterhin viele Fragen unbeantwortet.