Des nächtens um Burg Fürsteneck oder wie ich zu meinen ersten Polarlichtern kam

Bei den Fürstenecker Fototagen sprach mich Michaela, eine unserer Fotopodcast-Hörerinnen, auf die App "Even Longer" an, die ich in einer der letzten Sendungen empfohlen hatte. Damit kann man z.B. Startrails mit dem iPhone fotografieren. Die Bedienung ist allerdings nicht ganz intuitiv. Deshalb kam sie mit der App nicht zurecht und bat mich um Hilfe.

Am späten Freitagabend war ich auf dem Weg zum Torbau (DEM "place to be", wenn man abends mit den anderen Fotografinnen und Fotografen bei Bier, Wein oder Limo plaudern möchte). Die Nacht war sternenklar - beste Voraussetzungen also für "Even Longer". Und tatsächlich, im Torbau angekommen, lief mir Michaela quasi in die Arme und ich schlug vor, dass wir die App live und in Farbe ausprobieren könnten. Gesagt, getan.

Wir machten außerhalb der Burgmauern die ersten Testaufnahmen und waren geplättet. Der Himmel zeigte eine extrem rot-violette Färbung, die mit bloßem Auge allenfalls zu erahnen war (und auch nur weil wir es jetzt wussten).

"Was ist das für eine merkwürdige Lichtverschmutzung? Und woher kommt die?"

Wir waren ratlos. Da wir aus der Ferne Bässe wummern hörten, hatten wir Scheinwerfer des offenbar stattfindenden Raves im Verdacht. Pöltzlich fiel der Groschen. Ein andere Teilnehmer hatte mir 2 Tage vorher irgendetwas von Polarlichtern erzählt, die sehr weit südlich zu sehen sein könnten. Ich hatte das überhaupt nicht mehr auf dem Zettel.

Das war sie also? Die legendäre Aurora Borealis (oder auch Polarlicht oder Nordlicht genannt). Und das hier? Im von mir gerne sogenannten "Hessisch Sibirien"?

Es gibt wahrlich schlechtere Orte um über sein erstes Polarlicht "zu stolpern" als hier nahe des Sternenparks in einer Region, die sehr auf minimale Lichtverschmutzung achtet. Leider scheint die Burg selbst aus versicherungstechnischen Gründen davon ausgenommen. Trotzdem SPEKTAKULÄR, allerdings nicht mit bloßem Auge, nur mit der Kamera.

Jetzt galt es, die Gunst der Stunde zu nutzen. Schließlich waren wir hier, um Startrails mit dem iPhone aufzunehmen. Es war eine echte Luxussituation: wir hatten die Linden im Vordergrund und den nördlichen Sternenhimmel und damit das Zentrum, um das sich die Trails scheinbar bewegen (in Wirklichkeit bewegen wir uns aufgrund der Erdrotation), direkt vor uns auf dem Silbertablett. Und als Sahnehäubchen gab es dann noch die Polarlichter obendrauf. Was will man mehr?

oben: eine erste Aufnahme mit ca. 20 min Belichtungszeit (iPhone XS)

Mein Erfahrungswert war, dass etwa eine Stunde ausreicht, um genügend lange Startrails aufzunehmen, die durch ihre Anzahl und unterschiedlichen Startpunkte am Ende ein Bild ergeben, das scheinbar vollständige Kreise erzeugt.

oben: Aufnahme mit ca. 1-stündiger Belichtungszeit (iPhone XS)

Leider mussten wir feststellen, dass die Kombination mit den Polarlichtern dafür nicht optimal ist. Denn obwohl sie mit bloßem Auge kaum zu sehen sind, überstrahlen sie die weniger hellen Sterne und nur die stärksten kommen durch. Daher war das Ergebnis in Bezug auf die Startrails nicht ganz so überwältigend. Wir hätten also schätzungsweise 4-5 Stunden mehr aufnehmen müssen, um die wenigen Trails viel länger abzubilden. Das wollte ich mir aus 2 Gründen nicht antun: 1. hätte mein Akku nicht mitgespielt und 2. (viel wichtiger) musste ich schon um 5:30 mit Makro-Marko zur Makro-Tour bei Sonnenaufgang aufbrechen.

Also verwarfen wir den Startrail-Plan und machten einfach noch mehr Fotos von den Polarlichtern.

oben: alle Bilder mit dem iPhone XS und der App "Even Longer"

Ich hätte bequem zwischendurch losziehen können, um eine "richtige" Kamera mit Stativ zu holen. Schließlich hatte ich mir gerade ein lichtstarkes 12 mm Objektiv zugelegt, u.a. für genau solche Aufnahmen vom Nachthimmel zu machen. Aber erstens war ich recht platt vom Workshop-Tag, zweitens war alles für den morgendlichen Ausflug gepackt und drittens gab es ja am Folgeabend noch einmal die Möglichkeit, denn der Peak der Sonnenaktivität war erst am Sonntag. Also blieb ich sitzen... bis kurz nach 2... 💤

Zeitsprung zum nächsten Abend: Trotz des kurzen Schlafs in der vorigen Nacht (ca. 2,5 Stunden) war ich fest entschlossen eine weitere Runde "Polarlichtfotografie" zu drehen. Dieses Mal mit meiner "richtigen Kamera", Stativ und allem pi-pa-po. Es hatte sich natürlich herumgesprochen und an dem Abend war die Wiese hinter der Burg gespickt mit Fotograf*innen und ihren Stativen. Doch, was für eine Enttäuschung? Die Polarlichter waren nicht zu sehen! Enttäuschung machte sich breit und bald bauten die meisten wieder ab und gingen. Ob sie sich in den Schlaf weinten oder ihren Kummer im Torbau ertränkten - ich weiß es nicht.

Ich war natürlich ebenfalls ein wenig geknickt, aber selbst schuld! Hätte ich doch auf den von mir sehr geschätzten Jay Maisel gehört:

KOMMEN SIE NIE ZURÜCK [...] Denn wenn Sie zurückkommen, wird nichts gleich sein. Es mag besser sein, es mag schlechter sein, aber nichts wird sich gleich sein. Natürlich kann es sich als außerordentlich wertvoll erweisen, etwas immer wieder aufzusuchen, um unterschiedliche Lichtsituationen, Blickwinkel und Standpunkte auszuprobieren. Aber Sie sollten immer zuerst fotografieren und dann über die Zukunft nachdenken.

Tja... das hätte ich am Vorabend wohl berücksichtigen sollen. Aber immerhin tat ich es an diesem Abend. Den ich hatte ja gelernt, dass Startrails und Pollarlicht keine ideale Kombination darstellen. Also nahm ich die Startrails an dem Abend ohne diese "störenden" Polarlichter auf.

oben: Startrials nördlich von Burg Fürsteneck mit den Linden im Vordergrund (OM-D E-M1 Mk II)

Als meine Akkuanzeige anfing warnend zu blinken, beschloss ich noch ein paar Aufnahmen mit meiner Lightpainting-App auf dem iPhone zu machen, bis der Kamera-Akku erschöpft war.

oben: das Startrails-Bild mit Lightpainting-Zusatz (OM-D E-M1 Mk II)

Ich bin mir selbst noch nicht schlüssig, ob das Lightpanting dem Bild nun zuträglich ist oder doch eher "over the top". Ich stelle das Bild mal hier mit rein. Vielleicht gibt es ja konstruktives Feedback. ;)

LG, Thomas