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Pfarrer Daniel Giavoni Im Einsatz für ein konstruktives Miteinander. Für Menschen in jedem Alter, für das Arbeitsteam, für die ganze Kirchgemeinde.

Daniel Giavoni ist seit acht Jahren in der Kirchgemeinde Uznach und Umgebung als Pfarrer tätig. Im Portrait spricht er über seine liebsten Aufgaben und darüber, ob Pfarrersein am Ende auch nur ein Job ist wie jeder andere.

Aufgaben eines Pfarrers

Zusammen mit drei anderen Pfarrpersonen ist Giavoni für die Kirchgemeinde Uznach und Umgebung zuständig. Die vier haben die einzelnen Ressorts nach Stärken und Interessen untereinander aufgeteilt. Giavoni selber besetzt 70 Stellenprozente, gut zwei Drittel davon sind dem Schwerpunkt Jugend verpflichtet. Damit ist er der Hauptverantwortliche für die sogenannten "Erlebnisprogramme" und das "Konfjahr". Ausserdem ist er in die thematische Arbeit mit den Jugendlichen der Oberstufe involviert und leitet die Jugendgruppe im Ort. Zusätzlich kommt pro Monat durchschnittlich ein Gottesdienst hinzu. Neben dem thematischen hat Giavoni auch einen geografischen Schwerpunkt in der weit verzweigten Kirchgemeinde. In den Dörfern Kaltbrunn und Benken ist er alles in einem: Seelsorger, Ansprechperson für Ökumene und Gemeinderat, aber auch Organisator und Leiter von Anlässen nicht gottesdienstlicher Art.

Was vielen vielleicht nicht bewusst ist, mir jedenfalls viel zu wenig bewusst war: Als Pfarrer bist du Gemeindeleiter oder auch Manager. Als Pfarrer hast du eine Führungsfunktion.

Entscheidungen fällen, Verantwortung tragen

Was für ein Profil soll unsere Kirchgemeinde haben? Was für Gottesdienste wollen wir anbieten, was für Unterricht? Auf dem Papier ist die Kirchenvorsteherschaft für strategische Fragen zuständig. Giavoni ist von Amtes wegen KiVo-Mitglied – und bringt dort aufgrund seines Verantwortungsspektrums in vielen verschiedenen Bereichen seine Meinung mit ein.

Im Uzner Jugendteam sieht Giavoni seine Aufgabe gegenüber den beiden diakonischen Mitarbeitenden vor allem darin, den Überblick zu behalten und die Verbindungen zur restlichen Kirchgemeinde aufrecht zu erhalten. Die Zusammenarbeit erlebt Giavoni als sehr positiv, es sei nicht umsonst sein neuntes Jahr in der Gemeinde.

Feuer entfachen. Bei den Jugendlichen, mit den Jugendlichen.

Erlebnisprogramm statt Frontalunterricht

Die "Erlebnisprogramme" müssen von allen Jugendlichen verpflichtend besucht werden, die konfirmiert werden möchten. Während Giavoni vor allem Erlebnisse draussen anbietet, decken zwei Kolleg*innen die Bereiche Handwerken und Digitales, Backen und Reisen ab. Die Jugendlichen sollen von 30 bis 40 Anlässen pro Jahr drei bis vier auswählen, die ihren Interessen entsprechen. Die meisten kommen sogar öfter, als sie müssen. "Gelangweilte Gruppen haben wir eigentlich nie. Was für die Jugendlichen wichtig ist: dass sie sich sehen können, etwas zusammen unternehmen können." 

Vor allem bei den Outdoor-Programmen kann nicht immer alles klappen wie geplant. Da kann es vorkommen, dass die ursprünglich vorgesehene Schneeschuhtour kurzfristig abgesagt werden muss, wegen Regen. Kein Problem für Giavoni und seine katholische Kollegin. An einem Nachmittag Mitte Februar kommen sie mit sechs Jugendlichen spontan im Wald zusammen. Ein Suppenkochwettbewerb wird ausgerufen, es werden Tannzapfen gesammelt, es wird das höchste Steinmanndli gebaut, sechs junge Menschen und zwei Erwachsene teilen ein gutes, ein konstruktives Erlebnis miteinander.

Die Erlebnisprogramme sind Orte, wo man sich trifft. Da entstehen neue Freundschaften, auch über die Gemeinden hinweg.
Miteinander etwas Konstruktives erleben, miteinander unterwegs sein, im Moment sein…das ist auch eine Art Gottesdienst.
Die Pfarrperson als diejenige, die "das grosse Ganze zusammenhält", so sieht Daniel Giavoni seine Rolle. Als Pfarrer sei er nicht einem einzelnen Themenbereich verpflichtet, sondern immer der ganzen Kirchgemeinde, dem ganzen Team.

Theologie studieren, ja sicher - aber danach?

"Ich wollte nie Pfarrer werden", meint Giavoni, "aber das ist ja ein Klassiker". Bereits in der Kantonsschule ist das Wunschstudium klar gesetzt – Theologie – nur was danach kommt, sieht er lange nicht vor sich. So bewegt er sich schon während der Unijahre nebenher immer auch in einer anderen Welt, als Velomechaniker, Verkäufer im Transa und Mountainbike-Guide im Ausland. Nach Abschluss des Studiums folgt erst einmal eine Zeit, die ganz dem Reisen und Jobben gewidmet ist, bis die Frage immer lauter wird: wie geht es jetzt weiter? Der mittlerweile Dreissigjährige sieht sich ganz und gar nicht im Pfarrberuf. Aufgewachsen in einer Freikirche, und dort bis ins junge Erwachsenenalter aktiv eingebunden, ist er überzeugt, "nicht gläubig genug" für das Amt zu sein. Wie ein Hochstapler wäre er sich vorgekommen, meint Giavoni rückblickend. Der St.Galler Kirchenratspräsident, der ihn schon während dem Studium kontaktierte, lässt sich von solchen Zweifeln nicht beeindrucken und ermuntert ihn nachdrücklich, erst mal das Vikariat zu machen. Und tatsächlich, mit dem Eintritt ins Praktische bröckeln bei Giavoni die Stereotypen, die ihn so unsicher gemacht haben. Was er in seinem Vorgesetzen sieht, macht Mut. "Das war ein sehr guter Pfarrer, und gleichzeitig ein ganz normaler Mensch. Da habe ich gemerkt: So könnte ich das auch machen. So könnte ich auch Pfarrer sein."

Begegnung im Kafi Allerlei

Ein Ort, wo Menschen Zeit miteinander verbringen, ins Gespräch kommen, Kaffee trinken, Kuchen essen: willkommen im Kafi Allerlei in Kaltbrunn, offen für allerlei und alle, dank den vielen Freiwilligen an fünf Nachmittagen in der Woche. Finanziell wird das Kafi von der katholischen Kirchgemeinde Kaltbrunn und verschiedenen Sponsoren getragen. Dazu gehört auch die Evangelische Kirchgemeinde Uznach und Umgebung.

Der Pfarrer als Barista, Kellner, Unterhalter.
Wie alle um die Tische sitzen, sind die beiden Diensthabenden kaum von den Besuchern zu unterscheiden. An diesem Nachmittag ist neben Giavoni die Frau im dunkelblauen Oberteil im Einsatz. Schnell wird klar, dass die Arbeit am Tresen der kleinste Teil ihrer Arbeit bedeutet. Die beiden sind da, um den Leuten zuzuhören, mit ihnen zu lachen, ihnen bei Fragen weiterzuhelfen. Giavoni unterstützt den jungen Mann, der erst kürzlich hierher geflüchtet ist, bei den Deutschhausaufgaben. Erklärt dem älteren Paar, erst vor wenigen Wochen aus der Ukraine hierhergekommen, radebrechend Schweizer Kirchengeschichte auf russisch. An einem weiteren Tisch sitzt ein Mann, der zufrieden Auskunft gibt, er sei von hier, sei "immer da", seit das Kafi keine Bäckerei und kein Dönerladen mehr ist, sondern ein Raum mit vier Tischen und ein zweiter Raum mit Spielecke und Computer, offen für alle.

Erfahrungen im Vikariat

Im Auftrag des Herrn...

Das Vikariat, die praktische Ausbildungszeit, die im Anschluss ans Studium beginnt, hat Giavoni als sehr abwechslungsreich und positiv erlebt. Der Kontrast zum Studium war gross: weg vom Anspruch, dass alles perfekt sein muss, hin zur Realität, in der die Dinge einfach eins nach dem anderen Gestalt annehmen. In Momenten von Selbstzweifel half das Mantra: "Ich bin im Auftrag des Herrn unterwegs!" Ein innerer Ausruf, der mit gewachsener Routine seltener geworden sei, aber an Gültigkeit nichts verloren habe.

...und in Zivil unterwegs

Was das heisse: Pfarrer sein, treibe während der Ausbildung wohl alle um. Ob man diese Identität auch einmal ablegen könne, oder ob man sich als Pfarrperson für den Rest des Lebens überlegen müsse, ob man anständig genug angezogen sei, um einkaufen zu gehen. Für Giavoni selber hat sich das Thema erledigt, indem er sich auf das konzentrierte, was er liebte. Gleich mit Antritt der Stelle trat er dem Veloclub der Gemeinde bei. "Das wäre schon fast ein Rat an andere Pfarrpersonen! Sucht euch einen Ort, an dem ihr Beziehungen knüpfen könnt, aber nicht in der Funktion des Pfarrers, sondern als Privatperson. Ob in der freiwilligen Feuerwehr, im Fussball- oder eben im Veloclub: Sich in einer Gemeinde integrieren, das heisst, sich im sozialen Geflecht zu integrieren, das über das Kirchgemeindeleben hinausgeht. Das heisst, sich selbst und den anderen zeigen, dass man ein ganz normaler Mensch ist, der nebenbei auch noch (aus Überzeugung!) Pfarrer ist.

Hochs und Tiefs einer Arbeitswoche

Was ihm das Allerliebste sei, wenn er an seine Arbeitswoche denke? Ganz klar, die Veranstaltungen. Einfach alles, wo er mit Menschen zu tun habe, handle es sich nun um Erlebnisprogramme, Erwachsenenbildung oder Gottesdienste. Auch Abdankungen mag er gern. "Vor allem, wenn eine Person gestorben ist, die lebenssatt war. Das sind Momente, die einem das Gefühl geben, wirklich gebraucht zu werden. Wo man etwas mitgeben kann."

Den administrativen Part seiner Tätigkeit liebt Giavoni nicht ganz so sehr. Ein Pfarrteam trifft viele Entscheidungen, das bedeutet viele Sitzungen, viele Abklärungen, viel Organisation.

Die Kirchenvorsteherschaft (KiVo) trifft sich einmal im Monat, um wichtige Anliegen und laufende Projekte zu besprechen.

Für alle da sein, aber nicht zu jeder Zeit.

Daniel Giavoni ist von ganzem Herzen Pfarrer. Nach Feierabend dreht er der Kirche den Rücken und freut sich auf seine eigenen vier Wände, wie wir alle. Würde er, wie seine Vorgänger, im Pfarrhaus wohnen, wäre das anders. Seine Tür stünde rund um die Uhr offen. Diese Kultur eines offenen Hauses habe sicher einen grossen Wert, aber er persönlich sei doch froh um die Abgrenzungsmöglichkeit, die eine eigene Wohnung biete. Leerstehende Pfarrhäuser werden in der ganzen Schweiz mehr. Eine Entwicklung, die von manchen bedauert wird, Stichwort offenes Haus. Andere wiederum sehen darin ein Zeichen, dass auch der Beruf der Pfarrperson sich wandeln darf. Sehen das Gute darin, wenn jemand nicht hundert Prozent Pfarrer sein möchte. Sondern vielleicht nur siebzig.

Fotos: Daniel Ammann, Text: Julia Sutter