Gemeinsam! Eine Porträtserie über Menschen aus Aachen, die sich für andere einsetzen

Uschi Brammertz

„Einmal hatten wir beim Zirkuscamp einen Jungen mit Querschnittslähmung. Sein größter Traum war es, als Akrobat in der Zeltkuppel zu schweben. Alle haben mitgeholfen, wir haben ihn über Seile hochgezogen, und am Ende haben wir es geschafft.“ Wenn Uschi Brammertz diese Geschichte erzählt, wird klar, welche Kraft eine Gemeinschaft, ein Miteinander entwickeln kann – und wie wichtig es ist, dass es jemanden gibt, der dieses Miteinander lenkt und vorantreibt. Jemanden wie Uschi Brammertz.

Seit 20 Jahren veranstaltet sie über den „Verein zur Förderung von integrativen Jugendcamps“ Ferienangebote für Kinder und Jugendliche – jeweils eine Woche lang können sie segelfliegen, auf dem Rursee segeln oder eben ihre Talente und ihren Mut im Zirkuszelt unter Beweis stellen. Rund 4000 junge Leute haben an den Zeltlagern teilgenommen, für die meisten von ihnen ein unvergessliches Erlebnis. „Ich will Kindern, Jugendlichen und Frauen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen“, sagt Uschi Brammertz, und deswegen stehen die Angebote allen offen: „Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung, mit unterschiedlichen Muttersprachen und familiären Hintergründen – in den Camps sind alle gleich.“ Mit ihren Angeboten will sie Integration und Inklusion auf praktische Weise ermöglichen.

Ein Schritt zu mehr Teilhabe

Den Aachener Stadtteil Rothe Erde nennt Uschi Brammertz ihr Wohnzimmer. Dort rief sie vor rund 20 Jahren eine wichtige Hilfsaktion ins Leben. Bei einem Besuch in der Grundschule Barbarastraße sah sie, dass von 24 Kindern in einer ersten Klasse nur 4 ein Pausenbrot dabeihatten. Sie schuf Abhilfe, suchte Sponsoren, organisierte die Anlieferung von Brot, Aufschnitt, Käse und Obst, lud die Mütter ein, die Brote zu schmieren und Apfelschiffchen zu schnitzen – „und dann haben wir die Platten mit dem Essen in der Pause zusammen in die Schule gebracht“, erzählt sie. Der positive Nebeneffekt war, dass die Mütter sich bei der Zubereitung der Pausenbrote austauschten – auch dies über sprachliche und soziale Grenzen hinweg, auch dies als ein Schritt auf dem Weg zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe.

Die kleine Schule Barbarastraße wurde schließlich wegen zu niedriger Schüleranmeldezahlen geschlossen, „aber dadurch nahm ja nicht automatisch die Kinderarmut in dem Quartier ab“, sagt Uschi Brammertz, und fährt fort: „Also versuchten wir im benachbarten Kinder- und Jugendhaus die Kinder durch das Bewegungs- und Kochprojekt Rundum Fit zu begeistern.“ Das funktionierte so lange gut, bis die Pandemie kam. Die Initiatoren wollten den Kontakt zu den benachteiligten Kindern nicht verlieren und ersannen das Projekt der „Gesunden Kochtüten“, das bis heute, auch längst nach Corona, immer noch hilft, den Hunger im Viertel zu lindern.

Sport ist ein klassisches Spielfeld für ein Miteinander jenseits gesellschaftlicher Barrieren. Uschi Brammertz hat die Aktion „Open Sunday“ gestartet, in deren Rahmen Sporthallen in sozialen Brennpunktvierteln sonntags nachmittags geöffnet werden, um Kindern den Zugang zu Sportangeboten zu ermöglichen. Auch ein Mädchenfußballcamp mit Turnier im Kennedypark gehört zu ihren Initiativen. Hier – wie auch bei den Jugendcamps – steht der Gedanke des Teamgeists im Mittelpunkt. „Im gemeinsamen Tun entstehen die schönsten Erlebnisse“, sagt sie.

Und auch wenn es all diese Initiativen und Projekte ohne die Hartnäckigkeit und die Energie von Uschi Brammertz vermutlich nicht geben würde – möglich werden sie nur durch eine große Zahl an Mitwirkenden: „Es gibt unglaublich viele, die mitdenken und mit anpacken“. Über die Jahre hat sie ein Netzwerk geschaffen, von den Ehrenamtlern bei den Camps über die Sponsoren bis hin zu den Entscheiderinnen und Entscheidern in Politik und Gesellschaft, die die Projekte tatkräftig unterstützen. Und der Kreis schließt sich: „Es kommt oft vor, dass Jugendliche, die selbst an einem Camp teilgenommen haben, später den Übungsleiterschein machen und anschließend als Betreuer an den Camps teilnehmen“, erzählt sie.

Fragt man Uschi Brammertz nach ihrer Motivation, sagt sie: „Wenn jemand mich um Hilfe bittet, kann ich schlecht nein sagen.“ Als studierter Diplom-Kaufmann nutzt sie ihre Netzwerke, knüpft Kontakte, schiebt an - auch durch ihr Engagement im Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Ob Sport, gesundes Frühstück oder gemeinsame Erlebnisse in den Feriencamps – Uschi Brammertz erzählt mit einer ansteckenden Begeisterung über ihre Projekte. Und man merkt vor allem eines: Das Engagement für ein gemeinschaftliches Miteinander ist für sie kein Selbstzweck, sondern eine Herzensangelegenheit. „Ich gehe immer für die Menschen in die Bütt. Immer.“