Gemeinsam! Eine Porträtserie über Menschen aus Aachen, die sich für andere einsetzen
Robert Schumann
„Wir bieten den Jugendlichen das, was uns selbst früher immer gefehlt hat.“ Wenn Robert Schumann über die Arbeit des von ihm gegründeten Vereins „Talentschmiede e.V. - Mit Rückenwind in deine Zukunft“ redet, merkt man, worauf es ihm ankommt: Er möchte jungen Menschen eine Chance geben, ihren Weg ins Leben zu finden. Gemeinsam mit rund 40 Ehrenamtlern bietet der 38-jährige Aachener ein Mentoringprogramm sowie Workshops an, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Orientierung geben sollen: „Unser großes Ziel ist Bildungsgerechtigkeit.“ Dabei sei es wichtig, gesellschaftlich vorbestimmte Lebensläufe und Bildungswege zu durchbrechen.
„Auf vielen jungen Leuten lastet heute ein großer Druck – schulisch, beruflich und persönlich“, erzählt er. Es sei oftmals schwierig, sich zu orientieren und eine Perspektive für das eigene Leben zu entwickeln – trotz oder gerade wegen einer großen Zahl an Informationsangeboten. Oft stünden junge Menschen vor der Situation, Entscheidungen treffen zu müssen, auf die sie nicht vorbereitet seien und die weitreichende Konsequenzen hätten. Gerade Jugendliche mit einem schwierigen privaten Umfeld seien damit überfordert. „In ein sicheres soziales Umfeld hineingeboren zu werden ist ein Privileg, das nicht jeder hat“, sagt Robert Schumann.
Unterstützung auf Augenhöhe
Bei dieser Arbeit komme es darauf an, dass die Unterstützung auf Augenhöhe und im gleichen Takt erfolge, betont er. Alles sei an die Ressourcen, Ziele und Bedürfnisse der Jugendlichen angepasst. „Unser Mentoringprogramm ist langfristig angelegt, es basiert auf Vertrauen und Verständnis.“ Die Teilnehmenden würden in dem Programm aber auch lernen, Zusagen zu treffen und einzuhalten. Basis für das Mentoring ist jeweils ein Kennenlerngespräch, anschließend werden gemeinsam verbindliche Ziele vereinbart.
„Wir wollen Eltern und Schule nicht ersetzen“, sagt der Aachener, die Unterstützungsangebote des Vereins seien vielmehr eine Ergänzung aus einer anderen Perspektive heraus. Die Talentschmiede arbeitet dabei eng mit anderen Institutionen und vor allem Schulen zusammen, um den Jugendlichen einen einfachen Zugang zu unterschiedlichen Hilfs- und Unterstützungsangeboten zu ermöglichen. Zum Netzwerk gehören aber auch regionale Unternehmen. Durch Hospitationen und Informationsveranstaltungen sollen die Jugendlichen einen Einblick in das Berufsleben bekommen – eine wertvolle Hilfe, wenn es um den Jobeinstieg oder um das Verfassen von Bewerbungen geht.
Im Jahr 2021 hat Robert Schumann gemeinsam mit Verwandten und Freunden den Verein Talentschmiede gegründet, mittlerweile sind mehr als 30 Menschen aktiv dabei. „Bei uns sind 16 Sprachen, 13 Nationen und über 50 Berufsfelder vertreten“, sagt er. Mehr als 2000 junge Menschen habe mit den Angeboten des Vereins erreicht. Die Arbeit stößt auf breite Unterstützung – in der regionalen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch bundesweit. Beim Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises schaffte die Talentschmiede es in die Top 100, beim Startsocial-Wettbewerb gar in die Top 25 – inklusive Ehrung durch Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. Als weitere Auszeichnung erhielt der Verein den Stiftungspreis „BABOR ROSE“ von der BABOR Beauty Group Aachen für herausragendes, soziales Engagement in der Region.
Aktuell steht der Verein vor der Herausforderung, die eigene Arbeit professioneller zu organisieren – auch um der hohen Nachfrage gerecht zu werden und weiterhin intensiv mit den Jugendlichen arbeiten zu können. Professionelles Management mit Herzblut und Engagement zu vereinen ist dabei eine Gratwanderung, die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Beruf und Privatleben kann in der Praxis herausfordernd sein.
Viele Mentoren des Vereins haben selbst Brüche und Umwege in ihren Biografien – so auch der Vereinsgründer. Nach Abitur und Zivildienst kam er für ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens nach Aachen – die Entscheidung traf er, „weil mein Vater das auch gemacht hat“. Nach drei Jahren brach er das Studium ab, auch eine erste Ausbildung bei der Polizei scheiterte. „Mit 25 stand ich vor dem Nichts“, sagt er. Er jobbte als Barkeeper und Lagerist, schaffte schließlich im zweiten Anlauf den Einstieg bei der Polizei, für die er auch heute noch arbeitet. Parallel besuchte er Fortbildungen – zum NRW-Talentscout, aber auch in den Bereichen Diversität, Gewaltprävention und Systemische Beratung.
Für mehr Bildungsgerechtigkeit
Das Thema Gewaltprävention liegt Robert Schumann dabei besonders nah. Der hohe Druck, unter dem viele Jugendliche stünden, entlade sich oft in Aggression – mit der Folge, dass Jugendliche straffällig würden und sich somit den Start ins Erwachsenenleben selbst verbauten. Im Rahmen seiner polizeilichen Arbeit in einem Brennpunktrevier sei ihm bewusst geworden, dass es notwendig sei, sich für soziale Gerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit einzusetzen: „Wenn man die negativen Auswirkungen des Bildungssystems nicht auch im echten Leben erlebt, kann man es nur schwer nachvollziehen“, betont er.
In all diesen Bereichen will die Talentschmiede unterstützen – immer mit besonderem Blick auf die jeweiligen Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen. Diese seien schließlich die Hauptpersonen: „Es ist deren Leben, sie müssen entscheiden.“
Text und Foto: Arnd Gottschalk