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Kirchenmusiker Andreas Korsch Profis, die sich nicht selbst ins Zentrum stellen, sondern die Menschen, für die und mit denen sie spannende musikalische Projekte verwirklichen.

Wer Andreas Korsch dabei zuhört, wie er über seinen Beruf als Kirchenmusiker erzählt, und wer dabei ist, wenn er mit einem Instrument in der Hand und einem grossen Lachen im Gesicht vor einer Gruppe Kinder, Jugendlicher oder Erwachsenen steht, der weiss: so sieht einer aus, der in seiner Arbeit aufgeht.

Musiker, Netzwerker, Multiplikator

Andreas Korsch ist seit 2017 als Kirchenmusiker für die Evangelisch-reformierte Kirche Goldach tätig. Unter seiner Leitung entstehen in den Gemeinden Mörschwil, Steinach, Tübach und Untereggen jedes Jahr diverse musikalische Projekte, zur Freude von jungen und alten Leuten. Zur Freude von Menschen, die der Kirche ganz nah sind, und auch solchen, die man nicht unbedingt im Gottesdienst antrifft, sondern einfach an einem Ort, wo das gemeinsame Musizieren und die Begegnung im Vordergrund stehen.

Niederschwellige Angebote, zugeschnitten auf verschiedene Lebensalter, Begegnung als zentrales Element: Die Aufgabe eines Kirchenmusikers besteht im Wesentlichen darin, "Musik zu machen, die verhebet". Aber nicht nur. Korsch und seinesgleichen leisten wertvolle Familien-, Jugend- und Erwachsenenarbeit. Auf jeden Fall sind sie am Gemeindeaufbau massgeblich beteiligt. Korsch und seinesgleichen leisten wertvolle Familien-, Jugend- und Erwachsenenarbeit. Im besten Fall sind sie am Gemeindeaufbau massgeblich beteiligt.

Unterwegs mit eins, zwei, drei vielen Projekten

Kinderbühne, dreimal im Sommer: Eine Bühne, die ganz den Kindern gehört, zum Tanzen und Singen, begleitet von einer Ad-hoc Kinderbühnenelternband. Nach dem Auftritt wird gegrillt. "Von allen Projekten ist mir das fast die liebste Plattform. Das gibt schöne Begegnungen über alle Altersstufen." Und wer im Sommer bereits Bühnenluft schnuppert, begeistert sich nach den Herbstferien auch eher für die Proben zum Krippenspiel.

Diverse Instrumentalgruppen: Hier trifft Flötist auf Gitarristin auf Perkussionist. Korschs Aufgabe ist es, eine Gruppe musikalisch zusammenzubringen. Die unterschiedlichen Niveaus zu vereinbaren sei "anfangs keine leichte Aufgabe" gewesen, wie er lachend erzählt. "Aber eine äusserst lohnende!" Was man in seinem Job benötige, sei ein gutes Gespür für die Menschen. Und die Bereitschaft, selbst als Musiker in den Hintergrund zu treten.

"SingMit": Frei singen, frisch von der Leber, ohne Auftritte. Alle sind willkommen, die meisten sind im Pensionsalter. Nach der monatlichen Probe kommt man zusammen, der gemütliche Teil ist mindestens ebenso wichtig wie das Singen selbst. Das Repertoire stellen die verantwortlichen Freiwilligen selbst zusammen.

Auch die musikalische Begleitung durchs Kirchenjahr gehört zu Korschs Aufgaben. Dabei ist er nur in Ausnahmefällen für die "gewöhnlichen" Sonntagsgottesdienste zuständig. Sondern für spezielle Anlässe wie Konfirmation (mit einem Auftritt der Jugendband!) oder die Tauferinnerungsfeier.

Singe mit de Chinde findet einmal im Monat statt. "Dafür muss man nicht gross Werbung machen, die Kirche füllt sich von allein."
Alle zwei Wochen probt die Jugendband. Das Angebot wird vor allem von Konfirmand*innen genutzt, im Rahmen des Wahlpflichtprogramms. Naturgemäss wechselt die Besetzung jedes Jahr, meist spielen sieben bis zehn Personen mit.
Zweimal im Jahr übt ein Projektchor während fünf bis sechs Proben ein Programm ein, das im Rahmen eines Gottesdienstes aufgeführt wird. Willkommen sind alle Altersstufen, tatsächlich kommen eher die Älteren. Bei der Liederauswahl weist ein Thema wie "Liebe" die Richtung. Das bietet Spielraum für kirchliche Lieder, aber auch für Interpreten wie Udo Jürgens oder ABBA.

Ganz nah dran

"Singe mit de Chinde" findet einmal im Monat alternierend in den Gemeinden Steinach und Mörschwil statt, eingeladen sind Kinder ab Geburt bis Kindergarten. Das Angebot ist sehr beliebt, und es besteht aus sehr viel mehr als einer halben Stunde singen: Davor oder danach wird Kaffee getrunken und Znüni gegessen, man begegnet alten und neuen Bekannten.

Mit einigen Takten auf dem Akkordeon lockt Korsch Kinder und Eltern aus der gemütlichen Znünipause. Es fallen die letzten Gesprächsfetzen, Kinder und Elternteile setzen sich auf den Kissenkreis. Alle haben die Schuhe ausgezogen, Korsch kniet vor gespannten Zuhörerinnen und Zuhörern und er legt los. Wo sind denn d Büüch? Wo sind denn d Chnüü? Sind ihr alli do?

Die Lieder sind bewusst so einfach gewählt, dass Mütter und Kinder bei der ersten Wiederholung schon mitsingen können. Zwischen den Stücken gerät Korsch ins Plaudern, nimmt geschickt Kontakt auf. Irgendwann lässt er es schneien, verteilt Schellen. Dann werden die Kissen zu Eisschollen, die Kinder rennen wild im Kreis. Ein paar wenige Worte genügen, und die lachenden, kreischenden Kinder setzen sich zurück auf ihre Kissen, können kaum erwarten, was als nächstes kommt.

"Die halbe Stunde in der Woche hat zum Ziel, dass alle eine gute Zeit haben, sich kennen lernen und miteinander etwas erleben im gemeinsamen Spiel und Singen", erläutert Korsch. Und wenn er "alle" sagt, ist ein Stück weit sogar die Pfarrerin mit gemeint. Als Korschs Teamkollegin unterstützt sie das Projekt Kindersingen nämlich mit Kafi-Ausschenken und Spielen mit den Kindern zwischen den Singblöcken. Für sie sei es eine schöne Gelegenheit, ungezwungen mit Gemeindemitgliedern ins Gespräch zu kommen, erklärt sie. "Und trotzdem ist es überhaupt nicht selbstverständlich, dass eine Pfarrperson auch so eine Rolle übernimmt", fügt Korsch hinzu.

Als Begleitinstrumente wählt Korsch am liebsten Akkordeon oder Ukulele. Mit denen kann er sich nämlich problemlos mitten unter die Kinder setzen. "Das hilft mir, die Gruppe zu spüren. Ich merke so zum Beispiel zur rechten Zeit, wenn ich einmal die Richtung ändern muss, wann es richtig ist, vom ursprünglichen Plan abzuweichen." Die Fähigkeit, spontan zu reagieren, auf die Kinder wirklich eingehen zu können, hat Korsch bereits als Primarschullehrer trainiert. Und dann weiter perfektioniert, als er selbst Vater wurde.

"Nochmal! Bitte nochmal!" Die halbe Stunde ist schnell vorbei, niemand möchte schon ans Aufhören denken. Bevor wirklich Schluss ist, verwandeln sich die blauen Kissen ein letztes Mal, in Schlitten. Die Kinder werden einmal rundherum gezogen, dann helfen alle mit, den Schnee einzusammeln, Kissen zu stapeln, sauber zu machen.

Gesungen wird, was Freude macht. Im Sinne der Niederschwelligkeit wählt Korsch nicht in erster Linie Kirchenlieder, als Orientierung dienen ihm Jahreszeiten und Feiertage.
Sogenannte Alltagskirche hat in der Gemeinde einen hohen Stellenwert, der Gottesdienst gilt nicht als das Mass aller Dinge.

Begegnen, berühren, begeistern

Wir dürfen die Kirche so nutzen, dass alle Freude daran haben. Das geniesse ich. Dass wir hier tanzen und singen dürfen, und dass einige Lieder von der Sonne handeln können und andere von Gott. Die Kinder machen da keinen Unterschied.
Nach dem Gottesdienst...
Ein Kirchenmusiker sollte nicht nur sich selbst cool finden. Und er muss sein Handwerk beherrschen. Ich würde sagen: Für diesen Beruf sind Profis gesucht, die sich nicht selbst ins Zentrum stellen.
...und im Bandraum

Lernen und werden

Angefangen hat alles im Lehrerseminar Rorschach, wo Korsch "eine sehr musische Ausbildung" erhielt, mit Handorgel-Unterricht, Sologesang und Klavier. Nach wenigen Jahren Unterricht an einer Primarschule begann er das berufsbegleitende Studium an der Evangelischen Musikschule St. Gallen, ekms. Nach der zweijährigen Ausbildung arbeitete er einige Jahre zur Hälfte als Kirchenmusiker und zur anderen weiterhin als Primarschullehrer. Als die Familie dazukam, reduzierte er den Volksschulteil immer weiter. Nach der Kirchgemeinde Berneck-Au-Heerbrugg ist Goldach seine zweite Station als Kirchenmusiker. Hier ist er mit siebzig Stellenprozenten angestellt. Manche Formate, die er ausfüllt, haben bereits bei Stellenantritt bestanden. Anderes dagegen ist erst auf seine Initiative hin gewachsen.

Die Ausbildung an der ekms ist sehr praxisbezogen, ich habe sie als äusserst bereichernd in Erinnerung.

Die Evangelische Kirchenmusikschule St.Gallen ekms bietet in enger Zusammenarbeit mit der diözesanen Kirchenmusikschule St.Gallen drei Studiengänge für Kirchenmusik mit den Schwerpunkten Chorleitung, Orgel und Popularmusik an (ab Sommer 2023 neu als vierter Studiengang: Kantorengesang und Gemeindesingleitung). Die Studiengänge Kirchenmusik C und B sind staatlich anerkannte Ausbildungen und werden nach einer jeweils zweijährigen Studiendauer abgeschlossen. Die Kirchenmusikschulen St. Gallen decken mit dem B-Studium eine Nische im Ausbildungsangebot ab.

"Musik verbindet! Du kannst Musik machen für die Kleinen, für die Grossen, und alle sind begeistert", schwärmt Korsch. Natürlich müsse auch er Flyer verteilen und "persönlich Anklopfen", fügt er hinzu. Aber nie gerate das Werben zu einer Anstrengung, die ihm die Freude an der Sache nehme, immer sei die Wertschätzung der Teilnehmenden zu spüren. Gerade auch von der Zielgruppe, die gemeinhin als schwierig zu erreichen gilt. Einige der Jugendlichen, die im Konfirmationsjahr in der Jugendband spielen, bleiben Korsch und der Musik auch dann noch treu, wenn die Wahlpflicht gar nicht mehr besteht.

Das Miteinander von Glaube und Musik

Musik hat in Korschs Leben schon immer eine Rolle gespielt, und mit der Kirche geht es ihm genauso. Von der Jungschar über Jugendgottesdienste und später Jugendstunden unter der Leitung eines "sehr coolen Diakons" bekam er gerade in seinen prägendsten Jahren ein positives Kirchenbild vermittelt. Zwischendurch machte er auch Ausflüge in Freikirchen, kehrte jedoch zur Landeskirche zurück, wo er sich bis heute sehr zu Hause fühlt. "Die Haltung der Evangelisch-reformierten Kirche entspricht mir. Hier hat vieles Platz, das Integrative steht im Vordergrund." Grundsätzlich, fügt er hinzu, seien es natürlich immer einzelne Personen, die einen den Zugang zu einer Institution erleichterten – oder eben nicht. Auf seinem Weg mit der Evangelisch-reformierten Kirche aber habe er glücklicherweise nie mit Menschen zu tun gehabt, die bloss mit halbem Herzen dabei gewesen seien. Heute fühlt sich Korsch dank organisierten Netzwerktreffen und einer guten Portion Eigeninitiative gut vernetzt mit seinen Berufskolleg*innen, den aktiven Kirchenmusiker*innen im ganzen Kanton.

Erfüllung und Pflicht

Eine Anstellung als Kirchenmusikerin oder Kirchenmusiker bringt viele Freiheiten mit sich. "Ich darf mich ausbreiten, darf meine Tätigkeit so ausfüllen, wie es mir richtig erscheint." Neue Ideen sind immer willkommen. Solange sie nicht das Budget sprengen, hat Korsch bei der Umsetzung freie Hand. Eng mit dieser Freiheit verbunden ist wohl auch die Wertschätzung, die er von Team, Teilnehmenden und Kirchenvorsteherschaft erhält. Besonders schön sei es, wenn ihn direkt nach einem Anlass eine Rückmeldung erreiche.

Den grössten Teil seiner Arbeitszeit befindet sich Korsch im direkten Austausch mit Menschen. Doch auch ein Kirchenmusiker legt hie und da einen Bürotag ein, und nicht immer warten dann lustvolle Aufgaben auf ihn. Nebst kreativen Schreibtischarbeiten wie Repertoire zusammenstellen oder Stimmen notieren wollen auch administrative Tätigkeiten wie Amtsbericht schreiben oder Flyer gestalten erledigt sein. "Ich gebe mir einfach Mühe, das kurz zu halten", verrät Korsch seinen Trick.

Als Kirchenmusikerin oder Kirchenmusiker ist man oft an Wochenenden unterwegs. Beruf und Familienleben zu vereinbaren, ist eine Herausforderung. Und damit sie gemeistert wird, ist eine vorausschauende Planung unabdingbar.

Korsch arbeitet nie völlig unabhängig von anderen, in fast alle seine Projekte sind z. B. Pfarrpersonen oder Diakon*innen mit eingebunden. Und egal, wie gut man als Team funktioniere, zwischendurch gebe es auch Dinge auszudiskutieren, Abläufe zum Beispiel, sei es im Gottesdienst oder beim Krippenspiel. Also setzt man sich kurz zusammen, und findet zu einer Lösung, die für alle stimmt.

Was man braucht, ist ein gutes Gespür für die Menschen. Ein Gespür dafür, was sie brauchen, und dafür, wie man sie dort hinführen kann, wo sie hinmöchten. Wenn es dann gelingt, ist das etwas vom Schönsten, was passieren kann.

Musik verbindet. Sie verbindet die Kleinen, die Grossen, einfach alle. Und die Kirchenmusikerin, der Kirchenmusiker, ist mittendrin, jeden Tag.

Fotos: Daniel Ammann, Text: Julia Sutter